Das weiße Grab
in seiner Tasche mitgebracht hatte, und grinste gutmütig über Konrad Simonsens Bericht: »Sie haben wirklich geglaubt, Malte Brorup hätte Ermittlungsergebnisse gegen G verkauft?«
»Für einen Moment hat sich das so angehört, und da habe ich echt feuchte Hände bekommen. Aber diese Organisation ist äußerst effektiv. Dass der es geschafft hat, in weniger als einer halben Stunde Bilder von sieben Dienstmädchen aufzutreiben!«
»Ja, man sollte die inoffiziellen Systeme wirklich nicht unterschätzen. Das ist einer der Gründe, weshalb ich den Ort, an dem wir jetzt gerade sitzen, so mag. Ich habe hier schon viele tüchtige Studenten für die Ministerien gefunden, ganz ohne die sonst üblichen langwierigen Auswahlprozeduren. Wenn nicht gerade Semesterferien sind, sitzen hier immer ein paar und lernen oder diskutieren miteinander, und dabei kriegt man einen guten Eindruck von ihrem Potenzial.«
»Kommen Sie oft hierher?«, fragte die Comtesse.
»Nicht so oft, wie ich möchte. Vor allem in der letzten Zeit, leider. Dabei ist es hier wirklich schön, nicht wahr?«
Er breitete die Arme aus, als gehörte ihm der ganze Garten, und fuhr fort: »Sie sollten mal Anfang Juni hierherkommen, dann blühen die Magnolien. Aber auch allein schon dieses Palmenhaus, das ist das reinste architektonische Kleinod. Erbaut worden ist es 1874 als eines der ersten Gebäude in Dänemark mit einer offen sichtbaren, tragenden Metallkonstruktion. Wie der Eiffelturm. Die Architekten waren im Übrigen gar keine Architekten, sondern Gärtner, und zu verdanken haben wir das Ganze nur dem Bier.«
»Brauer Jacobsen war Mäzen?«
»Oh ja, das war er.«
Helmer Hammer ließ den Rest seines Wassers in der Flasche kreisen und verfolgte die Bewegung. Dann fuhr er fort: »Nun, Kriminalkommissarin Nathalie von Rosen, wie ich gehört habe, bin ich nicht der Einzige, der sich für die dänische Geschichte interessiert.«
Die offizielle Ansprache war als Spaß gemeint, öffnete aber trotzdem den Blick auf andere Dinge. Überraschenderweise antwortete Konrad Simonsen: »Diese Sache interessiert uns beide, und das ist leicht zu erklären, aber umso schwerer zu verstehen.«
»Hm, ja. Geben Sie mir die Chance?«
Das Machtverhältnis zwischen dem Ermittlungsleiter und dem Staatssekretär hätte nicht unterschiedlicher sein können. Erschwerend kam hinzu, dass die in die Geschichte zurückreichenden Ermittlungen der Kripo höchst inoffiziell waren. Trotzdem knüllte Konrad Simonsen Helmer Hammer wie ein gebrauchtes Butterbrotpapier zusammen: Zuerst sprach er voller Eifer und Enthusiasmus über das beängstigende Telefonat der Comtesse; dann erläuterte er mit düsterer Miene zwei konkrete Beispiele hellseherischer Fähigkeit, die sich später als richtig erwiesen hatten, unter anderem führte er den Bericht über die Mofafahrer an, wobei er dieses Mal aber deutlich dicker auftrug. Die Comtesse war vollkommen überrascht über seine lebendige Beschreibung, die jeden Einwand gegen ihre Ermittlungstätigkeit beiseitefegte. Jeder, der seine Sinne beisammen hatte, würde auf solch eine Warnung reagieren, wollte er nicht riskieren, eines Dienstversäumnisses beschuldigt zu werden.
Helmer Hammer war effektiv in die Ecke gedrängt worden, eine Tatsache, die er schnell erkannte und ohne jeden Hochmut akzeptierte: »Das hatte ich nicht kommen sehen. Es ist natürlich schwer, mit Ihnen zu diskutieren, wenn Sie Geisterbeschwörer im Gepäck haben.
Hängen Sie sich an ihn wie eine Klette,
was für ein herrlicher Satz, und ich muss schon sagen, Sie haben das perfekt gemacht, Comtesse. Ich muss Ihnen da wirklich ein vorbehaltloses Kompliment machen.«
Die Comtesse nickte, ohne ihn zu unterbrechen. Merkwürdigerweise erschien ihr ihre Privatermittlung jetzt, da Konrad sie in Worte gefasst hatte, viel logischer und konsequenter als zuvor. Er hatte recht, sie hatte gar keine andere Wahl gehabt.
Helmer Hammer fuhr fort, wobei er sich noch immer vorwiegend an die Comtesse wandte: »Vielleicht könnten wir das, was Sie über Bertil Hampel-Kochs Reise nach Grönland im Jahre 1983 herausgefunden zu haben glauben, erst einmal als
Wahrheit Nummer eins
bezeichnen? Ich verteile die Nummern, weil ich in diesem Zusammenhang auch noch eine andere Wahrheit habe, die ich gerne als
Wahrheit Nummer zwei
bezeichnen würde. In den siebziger und achtziger Jahren war es Usus im Verteidigungsministerium, den jungen, tüchtigen Mitarbeitern ein paar Wochen auf der Sirius-Patrouille zu
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