Das weiße Grab
auf den Homepages der Fernsehsender nach sich ziehen wird. Ich fürchte, das betrifft dieses Mal nicht nur die Regenbogenpresse, sondern auch die sachlichen, meinungsbildenden Zeitungen.«
»Dieses Scheißinternet!«
»Ja, ja, Konrad, geben Sie nur dem Internet die Schuld. Ich schaffe es morgen ab, wenn Sie das so stört.«
Konrad Simonsen antwortete ihr nicht, und sie fand zu ihrer gewohnten kühlen Sachlichkeit zurück.
»Es ist nicht das erste Mal, dass Poul Troulsen über die Stränge schlägt. Im Laufe seiner Karriere ist das schon häufig passiert. Je nachdem, wie man es sieht, haben sich schon ein gutes Dutzend solcher Vorfälle gehäuft. Und dieses Mal war einmal zu viel. Was da im Auto mit Andreas Falkenborg abgelaufen ist, geht einfach zu weit. Poul droht ihm ja richtiggehend Prügel an, wenn er nicht gesteht.«
»Vor ein paar Monaten war ich selbst mit einem Verhafteten unterwegs, und ich kann nur sagen, dass ich den damals weitaus härter angegangen habe als Poul.«
»Möglich, aber zum einen wurde Ihre Fahrt nicht auf Band aufgenommen, und zum anderen geht es nicht darum, jemanden hart anzugehen, sondern darum, unter Androhung von Gewalt ein Geständnis zu erwirken. Konrad, ich weiß genau, dass Troulsen in fünf Monaten pensioniert werden soll, aber Sie müssen ihn suspendieren. Ich sehe keinen anderen Ausweg.«
»Nein!«
Sie legte einen Zettel vor ihn hin. »Dann lesen Sie den Ausdruck selbst, das ist wirklich unanständig. Der arme Mann hat keine Chance.«
»Das war genau die Absicht. Er sollte keine Chance haben. Manchmal arbeiten wir so, was Sie oder die Öffentlichkeit auch davon halten. Ich war es, der Poul Troulsen darum gebeten hat, ihn unter Druck zu setzen. Und vergessen Sie nicht, dass dieser arme Mann mindestens zwei, wenn nicht sogar vier Frauen umgebracht hat.«
»Sagen Sie.«
»Ja, und ich kann Ihnen garantieren, dass er es getan hat.«
»Dann wollen Sie die Suspendierung nicht selbst vornehmen?«
»Nein.«
»Dann werde ich es tun.«
»Ich werde Sie kaum daran hindern können.«
Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Weder sie noch er wünschten sich, dass sie sich weiter ausdehnte. Schließlich fand die Polizeidirektorin Worte für das Ungesagte: »Und was haben Sie jetzt vor?«
»Das wissen Sie ganz genau.«
Konrad Simonsens Stimme war gedämpft, er hatte nicht vor, sich aufzuspielen. Trotzdem hatte seine Antwort etwas Unheilverkündendes, Kompromissloses.
»Ich habe befürchtet, dass Sie so etwas sagen würden. Trotzdem danke, dass Sie mir nicht gleich gedroht haben.«
»Den Dank gebe ich gerne zurück.«
»Konrad, wir wissen beide, dass Sie sehr einflussreiche Freunde haben, wären Sie bitte so freundlich …«
Die Formulierung fiel ihr schwer, so dass sie nach den richtigen Worten suchen musste. Er half ihr nicht.
»… und warten Sie damit, andere über diese Sache, also dieses Gespräch, zu informieren. Schon aus Rücksicht auf Ihren Job, bis … ach, das ist doch alles Unsinn … Mann, Konrad, was um alles in der Welt soll ich tun?«
»Das weiß ich nicht.«
»Was würden Sie tun, wenn Sie an meiner Stelle wären? Ich wäre froh, wenn ich das wüsste.«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Sie sind nicht gerade eine große Hilfe.«
»Ich bin auch nicht Polizeidirektor.«
Sie schüttelte seufzend den Kopf. Konrad Simonsen breitete die Arme zu einer freundlichen Geste aus, sagte aber nichts. Er mochte sie, hatte aber mit seinem Fall selbst so viele Probleme, dass ihm schlichtweg die Kraft fehlte, sich auch noch um die der anderen zu kümmern. Sie seufzte noch einmal und fuhr sich mit dem Handrücken über die Stirn. Die übertriebene Geste brachte Konrad Simonsen zum Lächeln.
»Sie lachen?«
»Ich lächle.«
»Wenn ich doch nur Ihren Sinn für Humor hätte, so seltsam mir der auch manchmal erscheint. Auf jeden Fall benötige ich Zeit, um nachzudenken, und das Letzte, was ich brauchen kann, sind kluge Ratschläge von Helmer Hammer oder Bertil Hampel-Koch. Oder gar der Umweltministerin.«
»Die Umweltministerin? Wie kommen Sie denn darauf? Ich denke, Sie überschätzen meinen Freundeskreis gewaltig.«
»Nein, das tue ich nicht, ich denke, Sie stapeln da ein wenig tief.«
»Streiten wir nicht darüber. Aber wenn Sie glauben, ich würde jetzt herumtelefonieren und mich beklagen, kennen Sie mich schlecht.«
»Ich weiß ganz genau, dass Sie das nicht tun werden. Und jetzt hauen Sie ab, Sie können mir ja doch nicht helfen. Wir reden dann später.«
Konrad
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