Das weiße Grab
Simonsen ging, ohne dass sie ihm leidtat.
Zurück an seinem Schreibtisch, lag Poul Troulsens Kündigung auf seinem Stuhl. Er fand seinen Mitarbeiter in dessen Büro, wo er gerade seine persönlichen Sachen in eine Plastiktüte packte.
Konrad Simonsen kippte den Inhalt zurück auf den Schreibtisch und warf die Tüte in den Mülleimer.
»Das kannst du gleich vergessen, Poul. Was zum Henker denkst du dir eigentlich dabei?«
Poul Troulsens Stimme klang verbittert, aber fest.
»Ich will nicht dir oder den anderen zur Last fallen.«
»Und warum führst du dich dann so bescheuert auf? Würdest du dich jetzt bitte um Liz Suenson kümmern, statt dich mit Sachen zu beschäftigen, die du gar nicht überblicken kannst und die noch dazu mein Job sind. Sag mal, vertraust du mir nicht?«
»Doch natürlich, aber ich will nicht …«
Sein Chef unterbrach ihn brutal: »Egal, was du willst, du kümmerst dich jetzt um Liz Suenson, und zwar sofort. Ich halte einen Doppelmörder fest, der mir langsam durch die Finger zu gleiten droht, weshalb ich wirklich keine Zeit für diese Nabelschau habe. Komm in die Gänge. Ich fahre ins Gericht, und wenn ich zurück bin, will ich Resultate sehen.«
Konrad Simonsen marschierte davon. Auf dem Weg nach draußen knüllte er die Kündigung zusammen und warf sie zu der Tüte in den Mülleimer.
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34
A ls Konrad Simonsen aus dem Gericht zurück war, ging er in Arne Pedersens Büro. Das Gesicht seines Kollegen ließ weitere schlechte Nachrichten vermuten. Auch er selbst hatte keine guten Neuigkeiten, so dass keiner der beiden Männer Lust hatte zu hören, was der andere zu sagen hatte.
Trotzdem fragte Arne Pedersen: »Du siehst nicht gerade aus, als wäre es gut gelaufen. Sag nicht, dass sie ihn haben gehen lassen.«
»Nein, so schlimm ist es auch nicht, aber er hat seine Aussage zurückgezogen, womit wir ja eigentlich schon gerechnet hatten.«
»Ja, das überrascht mich nicht. Und sonst?«
Arne Pedersen kämpfte mit einem Sonnenstrahl, der auf einem Fenster reflektiert wurde und ihn blendete. Anstatt sich anders hinzusetzen, hielt er sich die Hand vor das Gesicht, so dass Konrad Simonsen ihm nicht mehr in die Augen sehen konnte.
»Setz dich doch anders hin, deine Hand irritiert mich.«
Arne Pedersen gehorchte.
»Diese schwüle Wärme ist nicht auszuhalten, die Klamotten kleben einem am Körper, und ich schwitze wie ein Tier.«
Konrad Simonsen überhörte sein Klagen. Er hatte mit sich selbst genug zu tun.
»Der Richter hat die Anhörung des Festgenommenen erst einmal aufgeschoben, um in aller Ruhe mein Verhör mit der Aufnahme von Poul Troulsen und Andreas Falkenborg im Auto zu vergleichen. Es gab eine Unmenge juristisches Geschwafel darüber, was vor dem Gesetz statthaft ist und was nicht. Zum Beispiel, ob es einem Verhafteten überhaupt erlaubt ist, ein Gespräch in einem Polizeiwagen mitzuschneiden. Es gibt da anscheinend keinen Präzedenzfall, woran sich sowohl die Anklage als auch die Verteidigung ziemlich aufgehängt hat.«
»Und was war mit der Richterin?«
»Sie schien sich für diesen Teil nicht sonderlich zu interessieren.«
»Wann fällt die Entscheidung?«
»Wenn sie alles zu Ende studiert hat. Wann das ist, wissen die Götter. Das Gericht war voll mit Presseleuten, was die Dinge ja nicht gerade leichter macht, nicht wahr? Ich würde schätzen, dass sie die Untersuchungshaft auf drei Wochen festlegt. Das wäre dann eine Woche weniger als üblich, quasi als Strafe für unsere Vorgehensweise.«
»Warten wir’s ab. Aber wie zum Henker hat er das im Auto überhaupt hingekriegt? Das kapiere ich einfach nicht.«
»Die Idee ist ziemlich simpel, für die Umsetzung braucht es aber einen Experten. Er hat sein Handy genutzt. Er hatte ja vorher brav gefragt, ob er es mitnehmen dürfe, wenn er es ausschaltet, was ihm zugestanden wurde. Nur dass es eben nicht ausgeschaltet war, sondern nur so aussah. Er hatte es manipuliert und überdies eine Verbindung zu einem seiner Computer hergestellt, auf dem er das ganze Gespräch mitschnitt und digitalisierte. Dieser Computer sah wie das Handy tot aus, arbeitete aber auf Hochtouren. Von diesem Computer aus wurde die Tondatei dann automatisch zu diversen Internetforen übertragen. Frag mich nicht, wie man das macht, aber einer der Computerfreaks, die bei der Durchsuchung dabei waren, meinte, das sei ganz easy.«
»Hm, ganz schön gerissen. Wenn ich das höre, fällt es mir wirklich schwer zu glauben, was dieser E. Madsen gesagt hat.
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