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Das weiße Grab

Das weiße Grab

Titel: Das weiße Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Hammer , Søren Hammer
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inwieweit ihr das aber gelang, war Gegenstand intensivster Diskussionen. Eine ihrer Stärken war, dass sie ihren Mitarbeitern in der Regel gut zuhören konnte und sich häufig nach deren Erfahrungen richtete, was auch hilfreich war, da sie sich selbst in der praktischen Polizeiarbeit so gut wie nicht auskannte. Ein anderer, wild diskutierter Punkt war ihre Kleiderwahl. Immer wieder überraschte sie mit grässlichen Outfits. Ihr Sinn für Farben war katastrophal, und häufig presste sie ihren Körper in viel zu kleine Kleider, was ihr mitunter ein lächerlich jungmädchenhaftes Aussehen verlieh. Einmal war sie auf einem Fest mit einem knappen, bauchfreien Oberteil aufgetaucht. Obwohl dieser Vorfall inzwischen schon Jahre zurücklag, wurde er besonders von ihren weiblichen Mitarbeitern noch immer mit hämischer Verachtung diskutiert.
    »Setzen Sie sich, Konrad, und hören Sie mir zu. Es sieht gar nicht gut aus.«
    Bevor sie fortfuhr, zeigte sie so etwas wie vorauseilende Reue und versicherte Konrad Simonsen, wie sehr sie ihn, seine Arbeit und seine Mitarbeiter schätze. Er betrachtete die Fotografie von Königin Margarete, die in Glas gerahmt hinter ihr hing. Die Majestät war in voller Montur abgelichtet worden, mit hochgesteckten Haaren und glitzernden Diamanten an allen nur erdenklichen Stellen. Ein Gerücht besagte, dass die Polizeidirektorin an Heiligabend einen kleinen Weihnachtsmann oben auf dem Rahmen plazierte, aber ob sie sich wirklich zu so etwas verleiten ließ, wusste er nicht zu sagen. Als sie endlich schwieg, blockte er ihren Höflichkeitsschwall unelegant, aber effektiv ab: »Ich habe es eilig, was wollten Sie mir sagen?«
    Sie seufzte etwas theatralisch, klickte auf ein Icon auf ihrem Computerbildschirm, und gleich darauf waren Andreas Falkenborgs und Poul Troulsens Stimmen aus dem Lautsprecher zu hören:
    »Es gibt zwei Gefängnisse, die Sie um alles in der Welt meiden sollten. In diesen beiden Strafanstalten gibt es nämlich eine knallharte Hackordnung unter den Gefangenen, und da landen Sie gleich ganz unten. Zum einen, weil Sie die Tendenz haben, sich schmutzig zu machen, und zum anderen, weil Sie Frauen umgebracht haben. Beides hebt nicht gerade Ihr Ansehen …«
    »Aber ich bin nicht schmutzig.«
    »Wo haben Sie das her?«
    Die Polizeidirektorin drückte die Pausentaste und antwortete: »Aus dem Auto, als Poul Troulsen mit dem Verhafteten Andreas Falkenborg von seiner Wohnung hierher ins Präsidium gefahren ist.«
    »Wie ist das möglich?«
    »Das weiß ich nicht. Ich hatte gehofft, dass Sie mir das sagen könnten?«
    »Woher wissen Sie, dass diese Aufnahme aus dem Auto stammt?«
    »Man muss nur zuhören. Das ist später deutlich zu hören. Außerdem ist die Datei unter dem Namen
Autofahrt mit der Polizei
versendet worden.«
    »Wie versendet?«
    »Es steht auf
YouTube
und anderen Internet-Portalen. Aber es kommt noch schlimmer, ich spule etwas vor, oder wie das heißt, hören Sie.«
    »Sagen Sie mir, sind Sie jemals so richtig übel verprügelt worden, zum Beispiel mit einem Stab oder einem Stock?«
    »Nein, so etwas ist mir noch nie passiert.«
    »Und Sie haben auch nie gesehen, dass jemandem so etwas passiert ist? Oder gehört, wie er geschrien oder um sein Leben gefleht hat?«
    »Doch, das habe ich.«
    »Gut, dann wissen Sie ja, wie weh das tut. In manchen Gefängnissen gibt es gleich mehrere gewalttätige Gangs. Die werden Sie jeden Tag wie ein Stück Fleisch weich klopfen, bloß weil die anderen Sie nicht leiden können. Drei halten Sie fest und zwei andere prügeln drauflos. Das ist die Standardprozedur. Ich sage Ihnen, Ihr Rücken ist hinterher nicht wiederzuerkennen.«
    Die Polizeidirektorin hielt die Aufnahme an und wandte sich an Konrad Simonsen.
    »Etwas später flößt Poul Troulsen dem Verhafteten Angst ein, indem er von einer Person spricht, die er als seinen
Chef
bezeichnet, ich hoffe, damit sind nicht Sie gemeint, Konrad?«
    »Doch, natürlich.«
    »Der Zusammenhang ist eindeutig. Wenn der arme Kerl Ihnen gegenüber nicht gesteht, buchten Sie ihn an einem Ort ein, an dem er grün und blau geschlagen wird. Was denken Sie nun?«
    »Dass das eine ziemliche Scheiße ist.«
    »Da sind wir dann wohl gleicher Meinung.«
    »Das schwächt unsere Position gegenüber Andreas Falkenborg gewaltig.«
    »Ja, das will ich meinen, wobei das im Moment noch nicht einmal mein größtes Problem ist. Ich sehe nämlich schon die Schlagzeilen vor mir, die diese Aufnahme bei allen möglichen Zeitungen und

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