Das weiße Grab
angenehm ruhige Art.«
»Ja, das klingt nach Konrad. Das überrascht mich nicht.«
»Ich wusste nicht, dass sie überfallen worden ist. Das hat mir nie jemand erzählt. Ganz schön merkwürdig, so viele, die ich kenne, haben das gewusst, aber geredet wurde nie darüber. Irgendwie fühlt sich das falsch an, man glaubt die Menschen zu kennen, und wenn es darauf ankommt, kennt man sie doch nicht.«
»Ich weiß ganz genau, was Sie meinen. Es gibt Geheimnisse, die kennt eine ganze Generation, aber trotzdem reden die Menschen nicht darüber, als wollten alle es am liebsten vergessen. Bestimmt werden wir auch so, wenn wir älter sind.«
Die junge Frau sah Pauline Berg überrascht an.
»Meinen Sie wirklich?«
»Ja, ganz bestimmt.«
»So habe ich das noch nie gesehen. Wollen Sie ein Bier?«
»Nein danke, ich bin mit dem Auto da. Außerdem muss ich ja noch arbeiten.«
»Trinken Polizisten denn nie während der Arbeit?«
»Manchmal, wir sind auch nicht anders als andere Menschen. Aber während der Arbeit wird in der Regel nur wenig getrunken. Sagen Sie mal, wo wollen Sie eigentlich hin?«
»Nach Kopenhagen. Unser Zug geht in einer halben Stunde. Wir sind auf eine Party eingeladen.«
»Warum gehen Sie nicht rüber und bitten die anderen, ohne Sie zu fahren, ich nehme Sie dann mit nach Kopenhagen, wenn wir hier fertig sind.«
Jeanette Hvidt dachte einen Moment lang über den Vorschlag nach, bevor sie sich erhob. Pauline Berg beobachtete die Körpersprache der jungen Frau, während sie den anderen den Plan erklärte. Es war deutlich zu erkennen, dass sie in dieser Gruppe eine zentrale Rolle spielte. Kurz darauf fügten ihre Freunde sich.
»Probleme?«
»Ja, sie waren ein bisschen sauer. Oder auch nicht. Ich sehe sie ja später. Dieser Psychopath kommt frühestens am Sonntag raus, nicht wahr?«
»Ja, am Sonntagmorgen.«
»Dann kann ich ja die ganze Nacht feiern, ohne mich umschauen zu müssen. Vielleicht ist das ja mein letztes Fest.«
Ihr Lächeln war bezaubernd, trotzdem lief Pauline Berg ein Schauer über den Rücken.
»Hören Sie auf, so etwas zu sagen. Damit spaßt man nicht.«
»Nein, ich weiß schon, aber das Ganze kommt mir komplett verrückt vor. Plötzlich, im Laufe von nicht einmal einer Woche, soll mir so ein Monster auf den Fersen sein. Ist dieser Kerl eigentlich groß?«
»Größer als Sie.«
»Wenn er mir etwas anzutun versucht, bringe ich ihn um. Auf jeden Fall werde ich es versuchen.«
Pauline Berg fand diese Idee uneingeschränkt gut, sie wusste aber nicht, was sie ihr antworten sollte, und sagte stattdessen: »Wir hatten über Ihre Freunde gesprochen? Sind Sie in einer Beziehung?«
»Im Augenblick habe ich keinen Freund, aber bis Sonntag kann ich mir gut einen besorgen, wenn Sie das meinen. Denken Sie an eine Art Bodyguard?«
»Ja, aber tun Sie nicht so, als könnten Sie alles allein regeln. Es geht nicht nur darum, einen Mann in seiner Nähe zu haben, es geht darum, zu zweit zu sein und nicht allein.«
Jeanette Hvidt war praktisch veranlagt und sagte vorwitzig: »Aber das geht doch nicht. Man kann doch nicht die ganze Zeit zusammen sein, den ganzen Tag lang Arm in Arm rumrennen, das hält doch keiner aus! Wie lange soll so etwas denn gutgehen?«
Pauline Berg entschied sich für die Wahrheit, ohne ihr direkt zu erzählen, dass die Ermittlungen in einer Sackgasse waren und das Morddezernat auch in den letzten Tagen kaum namhafte Resultate hatte vorweisen können.
»Okay, da haben Sie recht, das ist das eigentliche Problem. Aber wie Sie sicher vermuten, arbeiten wir mit Hochdruck an der Sache. Und ich rede hier von einer ganzen Reihe von Menschen, die einzig und allein damit beschäftigt sind, diesen Andreas Falkenborg unschädlich zu machen. Wir graben sein ganzes Leben um, und ich bin überzeugt davon, dass wir irgendwann etwas finden werden, um ihn festzunageln. Das Problem ist, dass ich Ihnen nicht sagen kann, wann das sein wird. Und deshalb würde ich gerne wissen, ob es für Sie möglich wäre, einfach ein paar Tage irgendwo unterzutauchen. Sich an einem Ort aufzuhalten, den nur Sie und ich kennen.«
Das Mädchen dachte ernsthaft über den Vorschlag nach, während sie ihr Bier austrank und sich ein neues aus der Plastiktüte holte, die neben ihr lag. Pauline Berg wollte ihr eigentlich ein Mineralwasser vorschlagen, ließ es aber bleiben. Sie wirkte nicht betrunken, eigentlich merkte man ihr den Alkohol überhaupt nicht an.
»Nee, das geht nicht«, sagte Jeanette Hvidt.
»Warum
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