Das weiße Grab
Hampel-Koch unter falschem Namen nach Grönland gereist?«
Bei den Worten
unter falschem Namen
spitzten alle die Ohren. Vielleicht hatte diese Geschichte ja doch noch etwas zu bieten, das sich zu verfolgen lohnte. Hellwache Blicke richteten sich auf die Comtesse, als sie den Zusammenhang erklärte. Zum Schluss vollführte sie eine elegante Wendung, indem sie beinahe entschuldigend Konrad Simonsen fragte: »Aber ich weiß nicht, wie relevant das für unseren Fall ist?«
So leicht kam sie aber nicht davon.
»Ist es nicht merkwürdig, dass er sich gleichzeitig auch als Geologe ausgegeben hat? Haben Sie vielleicht auch dafür eine Erklärung?«
Die Comtesse dachte eine Weile nach und leitete ihre Antwort mit der Standardfloskel ein, die jeden Journalisten hellhörig werden lässt.
»Also, das müssen Sie jetzt aber bitte nicht schreiben …«
Dann erzählte sie von Bertil Hampel-Kochs plötzlicher Gelegenheit, noch einmal Junggeselle zu sein, ohne Gefahr zu laufen, eine andauernde Beziehung eingehen zu müssen.
Die meisten der Anwesenden nickten zustimmend. Der Sachverhalt war ebenso privat wie uninteressant. Eine aufgeweckte Journalistin erriet den Zusammenhang und stellte die taktlose Frage:
»War es Bertil Hampel-Koch, der Maryann Nygaard geschwängert hat?«
Der Kommentar der Comtesse war abweisend und hart, wobei sie anklagend mit dem Finger auf die Journalistin zeigte: »Das ist jetzt aber wirklich ein unglaublicher Gedanke, der allenfalls etwas für die Regenbogenpresse ist. Ich denke nicht, dass …«
»Schluss mit diesem Skandaljournalismus! Ich habe einen Mordfall mit mindestens zwei ermordeten Frauen aufzuklären und darf meine Zeit nicht mit solchem Unfug vertun.«
Die vierte Staatsmacht verschlang Konrad Simonsens gespielte Wut mit Haut und Haaren. Die Comtesse nahm das Raunen in der Versammlung wahr, ehe die Fragen wie eine schrille Kakophonie auf ihren Chef prasselten.
Mindestens zwei ermordete Frauen? Was meinen Sie mit mindestens?
Die Comtesse rückte in den Hintergrund, Bertil Hampel-Koch rückte in den Hintergrund, und alles war genauso, wie es sein sollte. Wieder blickte sie zu ihren beiden Journalisten. Der misstrauische zuckte resigniert mit den Achseln, und kurz darauf verließen beide den Raum.
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39
D ieses ganzes Rechtswesen ist doch ein Haufen Scheiße!«
Poul Troulsen wiederholte diesen Satz in den nächsten Tagen bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit und ging den anderen damit gehörig auf den Geist. Dabei wusste jeder, dass er es nicht so meinte, sondern damit nur seiner Frustration Luft zu verschaffen versuchte. Wie auch der Rest des Morddezernats war er fieberhaft damit beschäftigt, Beweise zu finden, die Andreas Falkenborg mit seinen Verbrechen in Verbindung brachten, damit die U-Haft doch noch verlängert wurde. Die Ausbeute war mager. Die Hauptperson selbst verweigerte jedes weitere Verhör, so dass sie auch in dieser Richtung nicht weiterkamen. Ein Großteil des Umgangskreises des Verdächtigen wurde aufgespürt und vernommen, was eine ebenso umfassende wie ergebnislose Arbeit war. Niemand hatte etwas beizutragen, was die Polizei nicht längst wusste. Was ihnen blieb, waren wenige Indizien, so dass sie ihre ganze Hoffnung auf eventuelle DNA -Spuren aus Maryann Nygaards Eisgrab setzten. Theoretisch konnten solche Spuren problemlos im gefrorenen Zustand überdauern, auch wenn fünfundzwanzig Jahre seit dem Verbrechen vergangen waren. Vielleicht war es sogar möglich nachzuweisen, dass damals ein Helikopter dicht bei dem Grab gelandet war. Der Optimismus war ungebrochen, ihm fehlte aber die Grundlage. Freitagnachmittag kam Konrad Simonsen von einem Treffen mit Kurt Melsing zurück, dem Leiter der Kriminaltechnik. Er ging in das Büro der Comtesse, wo ihn Poul Troulsen, Pauline Berg und die Comtesse bereits gespannt erwarteten. Ein einziger Blick in das Gesicht ihres Chefs verriet ihnen aber gleich, dass dieses Treffen nicht positiv verlaufen war, so dass ihre Stimmung beträchtlich sank, noch ehe ein Wort gefallen war. Die Comtesse meinte pessimistisch: »Wie ich sehe, ist es nicht gerade gut gelaufen.«
Konrad Simonsen ließ sich resigniert auf seinen Stuhl fallen.
»Totale Fehlanzeige. Die Techniker haben im Augenblick rein gar nichts, und sollten sie doch noch irgendetwas finden, wird das mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht im Laufe der nächsten Tage sein. Gute Ideen sind also mehr als willkommen.«
Pauline Berg begann zaghaft: »Ich
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