Das weiße Grab
Pedersen und ihn schniefend und mit tiefer Stimme gefragt, ob es etwas Neues gebe. Andreas Falkenborg war unter konstanter Bewachung, so dass keine akute Gefahr bestand, ganz davon abgesehen, glaubte sie aber auch, auf sich selbst aufpassen zu können, schließlich hatte sie eine Ausbildung im Nahkampf gemacht und war überdies im Besitz einer Heckler & Koch, neun Millimeter, der Standardpistole der Polizei.
»Nur die Haare muss ich mir schnellstmöglich wieder zurückfärben«, sagte sie zu sich selbst.
Sie wiederholte den Satz in leicht geänderter Form und ärgerte sich, dass sie gezwungen sein würde, an ihr Sparkonto zu gehen, um die 800 Kronen aufzubringen, die diese Aktion kosten würde. Pauline Berg gähnte, sie genoss die Zeit im Garten, obwohl sie sich eigentlich langsam um das Abendessen kümmern sollte. In der letzten Nacht hatte sie schlecht geschlafen, und die Müdigkeit machte ihr zu schaffen.
Als der Schlaf sie zu übermannen drohte, stellte sie den Wecker auf ihrem Handy, das neben ihr auf dem Gartentisch lag, und schloss die Augen.
Als sie wach wurde, war sie sich gleich darüber bewusst, dass sie viel länger als beabsichtigt geschlafen hatte. Der Himmel über ihr war beinahe dunkel, und sie fror trotz der Decke, die auf einmal über ihr lag. Woher diese Decke kam, konnte sie sich nicht erklären. Sie nahm ihr Handy und sah, dass der Akku leer war und sie tatsächlich beinahe drei Stunden geschlafen hatte. Ihr unfreiwilliges Nickerchen ärgerte sie, dabei hatte es keine wirklichen Konsequenzen, sah man davon ab, dass sie die geplanten Malerarbeiten jetzt auf den nächsten Tag verschieben musste. Sie stand auf, streckte sich, um den Schlaf aus den Gliedern zu bekommen, legte die Decke zusammen und ging nach drinnen, wo sie die Terrassentür verriegelte und die Klinke zur Sicherheit noch ein paarmal nach unten drückte. Die Tür wirkte solide, aber sie sollte sich trotzdem irgendwann, wenn sie wieder Geld hatte, eine Gardine anschaffen, damit man von der Terrasse nicht hineinblicken konnte.
Sie war hungrig. Im Wohnzimmer erwog sie kurz, sich einmal nicht an ihr Ritual zu halten und die täglichen Ballettübungen vor dem Abendessen ausfallen zu lassen. Schließlich ging sie doch in ihren Trainingsraum, den sie als eines der ersten Zimmer eingerichtet hatte, zog ein Trikot an, stellte sich an ihre Stange und ging routiniert ihr Repertoire durch. Draußen war es jetzt dunkel, und sie kontrollierte ihre Positionen und Figuren in der Spiegelung ihres Fensters, bis ihr irgendwie unwohl wurde. Es war ungewohnt, sich selbst mit schwarzen Haaren zu sehen, außerdem erinnerte sie dieser Anblick ständig an das samstägliche Fiasko mit Andreas Falkenborg.
Nach ihren Übungen nahm sie schnell ein Bad. Sie fühlte sich seltsam, als wäre der Tag ganz anders gelaufen, als sie ihn sich vorgestellt hatte. An der Stange hatte sie die Schuld noch auf die gefärbten Haare geschoben, doch das war nicht der einzige Grund. Vielleicht war es eine dumme Idee gewesen, sich krankzumelden. Sie machte nur selten blau, und wenn sie es doch einmal tat, bereute sie es immer sehr schnell. Außerdem hatte sie einen Riesenhunger, das hatte sie sich selbst zuzuschreiben, aber auch diese Erkenntnis machte sie nicht satt. Sie versuchte, sich daran zu erinnern, was sie noch im Kühlschrank hatte, während sie sich in ihrer Nacktheit nicht gerade wohl fühlte, als sie vom Badezimmer ins Schlafzimmer hastete, um sich anzuziehen. Gleichzeitig entschloss sie sich, Ernesto Madsen anzurufen und ihn zu fragen, ob er nicht Lust hatte, sie zu besuchen. Das wäre nett, wirklich nett. Dafür musste sie aber erst das Ladegerät ihres Handys finden, das nicht an seinem Platz in der Steckdose neben ihrem Bett war. Erfolglos versuchte sie, sich zu erinnern, wo sie es hingelegt hatte, und verfluchte gleichzeitig die kundenfeindliche Telefongesellschaft, die vier Wochen brauchte, um ihr einen neuen Festnetzanschluss zu legen.
Sie genoss die Brote, die sie sich machte, und sowohl Ernesto Madsen als auch das Ladegerät wurden zugunsten eines ruhigen Abends vor dem Fernseher aufgegeben. Ein Wiedersehen mit
Pretty Woman
war genau das, was sie jetzt brauchte. Sie nahm ihr Glas und ihren leeren Teller und ging in die Küche, wo sie, nachdem sie das Geschirr in die Spülmaschine gestellt hatte, sorgfältig die noch fast unbenutzte Arbeitsplatte putzte. Danach holte sie eine Dose Katzenfutter aus dem Küchenschrank, öffnete sie, nahm einen Löffel aus
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