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Das weiße Grab

Das weiße Grab

Titel: Das weiße Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Hammer , Søren Hammer
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zu versetzen. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, zog er seinen Pullover hoch und holte ihre Pistole hervor.
    »Sie folgt ihm zu seinem Auto.«
    Die Pistole zielte ruhig auf ihren Bauch. Er stand so dicht vor ihr, dass er sie nicht verfehlen konnte. Sie antwortete ihm nicht, Jeanette Hvidts Heulen verstummte hinter ihr, und nur das leise Brummen des Computers brach die Stille.
    »Sie folgt ihm zu seinem Auto, sonst erschießt er sie.«
    Ob es Mut oder Angst war, die sie antrieb, fand sie nie heraus. Vielleicht war es die blanke Verzweiflung oder die unbewusste Erkenntnis, dass es höchst unprofessionell war, eine Pistole fest vor seinen Unterleib zu halten, als spielten sie Räuber und Gendarm.
    »Wissen Sie eigentlich, wie man mit so einem Ding schießt? Haben Sie die Waffe überhaupt entsichert? Was Sie da in der Hand halten, ist eine Polizeiwaffe, aber davon scheinen Sie keine Ahnung zu haben.«
    Obwohl ihre Stimme zitterte, hatte sie die Worte ausgesprochen. Er trat einen weiteren Schritt zurück und drehte die Pistole zur Seite, um einen Blick darauf zu werfen, soweit dies durch die Löcher in seiner Maske möglich war.
    »So etwas darf sie nicht zu ihm sagen.«
    »Ich bin aber keine blöde Gans, Sie können mich mit Ihrer lächerlichen Gespenstermaske nicht erschrecken.«
    »Sie sagt so etwas nicht, sonst kriegt sie den Stock zu spüren.«
    »Ich sehe aber keinen Stock, Andreas. Den hast du wohl vergessen.«
    Er stampfte mit dem Fuß auf.
    »Sie sagt so etwas nicht. Ich kann nicht … er will …«
    Sie hatte jetzt keine Angst mehr vor der Waffe, die schlaff zu Boden zeigte. Ihr Gerede von der Entsicherung zeigte Wirkung. Wieder wackelte sie ein Stück nach vorne, wobei sie ihn mit spitzer Zunge verspottete: »Du machst in der Theatervorstellung sicher alles falsch. Denk nur, wenn dein Vater dich jetzt sehen könnte, Gott, wie würde er lachen. Tja, das war ein Mann, der die Frauen zu nehmen wusste … hast du kapiert, kleiner Andreas? … die Frauen nehmen, aber das hast du ja selbst gesehen, so dass dich das kaum überraschen wird. Du hingegen bist bloß äußerlich ein Mann, eine leere Schale, ein verwachsener Junge, der schuld daran ist, dass seine eigene Mutter verprügelt wird, weil du …«
    Andreas Falkenborg ließ die Pistole fallen und verließ das Zimmer. Gleich darauf hörte sie, wie der Schlüssel in der Tür herumgedreht wurde.
    Ohne Zeit zu verlieren, schnappte sie sich die Waffe und konstatierte ärgerlich, dass sie nicht geladen war. Als Nächstes konzentrierte sie sich auf das Fenster. Schaffte sie es schnell nach draußen, hatte er keine Chance, sie zu kriegen, bevor sie den Wald erreicht hatte. Die Idee war aber nicht umsetzbar, da er das Fenster von außen blockiert zu haben schien. Sie hämmerte wild auf den Rahmen ein, aber all ihre Kraft nützte ihr nichts. Plan C war der Computer. Sie zog den Stecker heraus, steckte ihn wieder rein und startete die Maschine neu, wodurch im ganzen Haus der Strom ausfiel.
    In der plötzlichen Dunkelheit hockte sie sich auf den Boden. Ihre Glieder zitterten, und ihr Herz galoppierte wild, trotzdem zwang sie sich nachzudenken. Ihre Reaktion war normal, das wusste sie, dabei war es das Wichtigste, sich nicht als Opfer zu fühlen. Sie hatte die erste Runde für sich entschieden, jetzt hatte sich die Situation aber wieder zu seinen Gunsten gewendet. Er konnte erneut die Initiative ergreifen und sich überdies eine Waffe besorgen, jetzt vielleicht eine, die deutlich effektiver war. Einen Moment lang überlegte sie, ob sie die Tür von innen verbarrikadieren konnte, schob dann aber nur einen Stuhl unter die Klinke. Ob er richtig stand, konnte sie in der Dunkelheit kaum erkennen, außerdem würde dieser Stuhl ihn so oder so kaum aufhalten. Schließlich zog sie die Gardine zur Seite, ohne zu fürchten, dass er draußen stehen könnte. Die Maske machte ihr keine Angst mehr, nur der Mann dahinter war gefährlich. Der Regen hatte aufgehört, ein blasser Mond stand am Himmel, aber von Andreas Falkenborg war nichts zu sehen. Mit einem Mal erblickte sie ihr Auto draußen in der Einfahrt und dachte an die Ersatzschlüssel, die in der Schreibtischschublade lagen. Sie tastete sich zum Tisch vor, zog die Schublade heraus, fand mit den Fingerspitzen die Schlüssel und steckte sie in ihre Tasche. Dann zog sie die eine Gardine von der Stange, riss einen breiten Streifen vom Stoff ab und wickelte ihn um ihre rechte Hand, mit der sie den Keramikbecher umklammerte. Sie

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