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Das weiße Grab

Das weiße Grab

Titel: Das weiße Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lotte Hammer , Søren Hammer
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haben recht, diese beiden Journalisten könnten ihm Schwierigkeiten bereiten, insbesondere wenn andere Pressekollegen von ihrem … sollen wir sagen Fokus? … Wind bekämen, obwohl ich diese Gefahr im Augenblick als eher gering einschätzen würde. Aber sie haben sich um ein Interview mit Bertil Hampel-Koch bemüht, was ihm bestimmt nicht behagt. Also ja, das ist de facto ein Problem und bestimmt kein geringfügiges, denn auch wenn Helmer Hammer vieles regeln kann, die Presse hat er nicht in der Hand. Andererseits ist das sein und nicht Ihr Problem, nicht notwendigerweise.«
    Die Comtesse spürte Bewegung.
    »Nicht notwendigerweise?«
    Er überhörte sie und sagte: »Erzählen Sie mir, was Sie über Bertil Hampel-Kochs Grönlandreise erfahren haben. Und auch welche Gedanken das in Ihnen geweckt hat.«
    »Ich hatte gehofft, Sie würden mir erklären …«
    »Vielleicht später, erst Sie«, fiel er ihr ins Wort.
    Das Treffen hatte nicht so begonnen, wie sie sich das vorgestellt hatte, überdies fühlte sie sich hintergangen. Er sollte reden, nicht sie. Immerhin hatte sie sich dieses Arrangement einiges kosten lassen und alles aus eigener Tasche bezahlt. Normalerweise bedeutete ihr so etwas nichts, aber in diesem Moment kam ihr das alles schrecklich ungerecht vor. Nur dass es keine Alternative gab. Sie trank ihren Kaffee aus, nahm ein Notizbuch aus ihrer Tasche, räusperte sich ein paarmal und begann.
    »Also, am meisten beeindruckt hat mich die Veröffentlichung des Briefes, den Ministerpräsident H. C. Hansen 1957 an die Amerikaner geschrieben hat. Ich glaube, das war 1995 . Aber Sie kennen diese Geschichte sicher besser als jeder andere. Dieses Ereignis ist auch so etwas wie mein Ausgangspunkt.«
    »Ich würde Ihre Version gerne hören.«
    »Tja, meine Version. Sie unterscheidet sich auch nicht wesentlich von den meisten anderen. Es beginnt 1957 , als der dänische Ministerpräsident eine höchst unwillkommene Anfrage vom amerikanischen Botschafter bekommt. Es geht darin um die Frage, inwieweit Dänemark informiert sein will, wenn die USA Atomwaffen in Grönland stationieren. Offiziell war die Sache klar. Dänemark und damit auch Grönland waren eine atomwaffenfreie Zone. Inoffiziell lagen die Dinge aber ganz anders. Die Amerikaner konnten tun, was sie wollten, solange sie es für sich behielten. H. C. Hansen verfasste deshalb gemeinsam mit einem hohen Regierungsbeamten ein Schreiben, in dem er die Atomraketen zwischen den Zeilen akzeptierte, gleichzeitig aber deutlich machte, dass niemand in Kopenhagen davon etwas wissen wolle. Also, nichts hören, nichts sehen, nichts sagen. Der Brief wurde nur in zwei Kopien angefertigt, eine für die amerikanische Regierung und die andere für den Safe des Außenministeriums. Das dänische Exemplar wurde dann 1995 , gut vierzig Jahre später, gefunden und veröffentlicht. Habe ich das einigermaßen korrekt wiedergegeben?«
    Der Mann bestätigte ihre Frage mit einem leisen Grunzen.
    »Das Überraschende war die Reaktion in den Medien. Die Entdeckung des Briefes wurde wie eine Sensation verkauft, wie der endgültige Beweis dafür, dass H. C. Hansen sowohl seine eigene Regierung als auch das Parlament und vor allem die Bevölkerung hinters Licht geführt hatte. Der damalige Ministerpräsident, also der, der 1995 im Amt war, musste nach eigenen Aussagen seine Sommerferien abbrechen. Obgleich viel Zeit vergangen war und alle involvierten Personen längst verstorben waren, galt die Sache als äußert prekär, wenn nicht sogar explosiv.«
    »Ja, die Reaktion war im Grunde eine Überraschung.«
    »Aber das ist nichts im Vergleich dazu, wie eine solche Mitteilung 1983 aufgefasst worden wäre.«
    »Das müssen Sie mir erklären.«
    » 1983 befanden wir uns mitten im Kalten Krieg. In diesem Jahr sind diesseits und jenseits des Eisernen Vorhangs die Mittelstreckenraketen aufgestellt worden, es wurden zahlreiche Atombombenversuche durchgeführt, und es fanden riesige Friedensdemos in ganz Europa statt. Außerdem war es das Jahr, in dem Ronald Reagan sein Star-Wars-Projekt lanciert hat, um nur einige der sicherheitspolitischen Begebenheiten zu erwähnen, die die Zeit geprägt haben. 1983 wäre die Entlarvung der H.-C.-Hansen-Sache sowohl innen- als auch außenpolitisch eine Katastrophe für die Schlüter-Regierung gewesen. Und auch für die Opposition. Hätte es sich damals gezeigt, dass dänische Spitzenpolitiker nachweislich über die grönländischen Atomwaffen Bescheid wussten, die

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