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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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rund ums Auto eindecken. Außerdem setzte er von Beginn an große Hoffnungen in den Tuningbereich (»Ich werde die ganze Stadt tieferlegen!« versprach er seiner Stammtischrunde im Suff).
    Und für die totale Kundenzufriedenheit hatte sich Geschäftsmann Büttgen noch einen besonderen Clou einfallen lassen. Neben dem Job als kostenneutrale Kassiererin an der Tankstelle verschaffte er seiner Frau Uschi einen zusätzlichen Aufgabenbereich. Er ernannte sie nach kurzer, aber heftiger Diskussion zur Imbißfee. Mit Currywurst und Frikadellen für die Männer und Kaffee und Kuchen für die mobile Damenwelt.
    Solch ein Unternehmen wollte natürlich sauber finanziert sein, und da kam Hans Büttgen der plötzliche Tod seiner Mutter nicht zwingend ungelegen. Freilich, am Anfang war er schon geknickt, es gab Tränen auf der Beerdigung und einen ganz schön traurigen Leichenschmaus im besten Spezialitätenrestaurant am Platz. Doch spätestens bei der Testamentseröffnung sah Hans Büttgen die Dinge wesentlich differenzierter. Oma Elisabeth war nämlich nicht nur eine verdammt gute, sondern auch eine verdammt wohlhabende Frau gewesen.Wesentlich wohlhabender, als Hans Büttgen es sich jemals vorgestellt hatte.
    Ihr unverhofftes Vermögen setzte sich aus Immobilienbesitz, stapelweise Bundesschatzbriefen, einem Aktienpäckchen, südafrikanischen Goldmünzen in absurd hoher Zahl sowie einer gehörigen Barschaft zusammen. Woher sie so viel Asche hatte, wußte Hans Büttgen übrigens nicht. Aber das störte ihn auch nicht, denn das Ganze gehörte ja jetzt ihm. Und so was rückt den Tod natürlich in ein ganz anderes Licht.
    Der Grabkranz der Familie war kaum verblüht, da machte Hans Büttgen ernst. Er kündigte seinen Job bei Ford und gönnte sich erst einmal drei Monate Ferien zum Nachdenken. Dann ließ er sich von der Dresdner Bank mit einem sympathischen grünen Bändchen ein ausgeklügeltes Finanzkonzept schnüren, suchte sich für sein Autoparadies die richtige Immobilie, investierte wie Onassis und kaufte sich auch noch neue Hosen. Und dann war es soweit. Begleitet von einer sündteuren Anzeigenkampagne in allen Zeitungen der Region öffnete an einem Samstagmittag im Mai 1984 das »Autoparadies mit Herz« seine Tore zum Glück. Mit einem Gewinnspiel, fünfhundert Luftballons und noch mehr Freibier. Es wurde eine legendäre Feier. Für den neuen Chef allerdings ein bißchen kurz. Hans Büttgen war bereits gegen 14 Uhr hackebreit und konnte sich am nächsten Morgen nur noch an praktisch gar nichts mehr erinnern.
    Das Unternehmen ging schief. Die Kosten waren immens, die Umsätze blieben deutlich hinter den Erwartungen zurück. Hans Büttgen hatte sich von Anfang an verkalkuliert und dabei vor allem die Macht der immer stärker werdenden Konkurrenz gewaltig unterschätzt. Gegen die großen Mineralölkonzerne mit ihren schicken Zapfanlagen, gegen die allgegenwärtigen Vertragswerkstätten mit ihren aggressiven Kundenbindungskonzepten und auch gegen die modernenWaschstraßen samt ihrer magnetischen Wirkung auf alles, was Auto heißt und dreckig ist, hatte er als betriebswirtschaftlicher Blindgänger einfach keine Chance. Dazu kamen Schwächen im charakterlichen Bereich. Wer gerne blau schraubt, darf sich über rote Zahlen nicht beschweren. Und so konnten am Ende auch die hausgemachten Frikadellen seiner Frau und der geschmacksverstärkte Kartoffelsalat vom Huma nichts daran ändern, daß sein geliebtes Autoparadies rasend schnell auf den bilanztechnischen Infarkt zusteuerte.
    Unter ging der Hans trotzdem nicht. Jedenfalls nie ganz. Bevor es allzu eng wurde, griff er nämlich einfach zum Hörer und rief seine Bank an. »Einen wunderschönen guten Tag, Herr Büttgen«, hieß es dann immer. »Welchen Teil Ihres Erbes dürfen wir heute verscherbeln, um Sie aus der Scheiße zu reiten?« Das ging unkompliziert, diente beiden (!) Seiten und machte irgendwie auch noch Spaß. Natürlich wußte der Hans, daß das Spielchen nicht ewig so weitergehen konnte. Aber er hatte ja noch zwei Trümpfe in petto. Seinen beiden Söhne. Er hatte sie gezeugt, und spätestens, als er realisierte, daß das Erbe seiner Mutter kein ewiger Tropf sein würde, wußte er endlich auch warum.
    Es war wie bei der Mafia. Nach der Schule sollten seine Söhne eine zweckdienliche Ausbildung absolvieren, danach bei ihrem alten Herrn ins kränkelnde Geschäft einsteigen und den Laden schließlich zurück an die Spitze der Troisdorfer Unternehmenskultur fahren. Thomas, Billys

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