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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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mit Herz« war eine Perspektive, die nicht mal eine war. Man bringt sich schließlich auch nicht um, nur weil man nicht weiß, weshalb man lebt.
    Dazu kam noch eine weitere, aber wohl alles entscheidende Erkenntnis. Abgesehen davon, daß sich Billy zwar für Autos an sich, aber nicht für das Geschäft drum herum interessierte, war sein Vater der wirklich allerletzte Mensch, mit dem er professionell zusammenarbeiten wollte. Diesen Entschluß hatte er schon sehr früh in seinem Leben gefaßt. Bereits in der Grundschule war er nämlich dahintergekommen, daß seinem Vater nicht zu trauen war. Weder in der Gegenwart noch für die Zukunft, und aus drei triftigen Gründen: Sein Vater war ein Trinker. Sein Vater war ein Zocker. Und ein übler Betrüger war sein Vater obendrein.

Wumm, der Bär.
    In Bonn tobte damals wieder einmal eine Frühjahrskirmes, und wie jedes Jahr zog ein Großereignis wie dieses die Massen an wie der Fladen die Fliegen. Aus allen Ecken der Umgebung strömten Heerscharen vergnügungssüchtiger Rhein- und Ausländer herbei, um sich dem puren Spaß hinzugeben und die Kronkorken knallen zu lassen. Es war ein Fest und für jeden war etwas dabei. Das Angebot der Schausteller reichte von der Krake bis zum Flohzirkus, die Zapfanlagen der Saufbuden liefen ohne Unterlaß, und die Freßbuden legten eine dicke, stinkende Fettschicht über alles und jeden. Keine Frage, so was kam irre an, und die Stimmung war ein einziger, endloser Höhepunkt. Die damalige Hauptstadt von Deutschland mußte sich noch nie und vor niemanden verstecken.Bonn war für Großes geboren. Diese Veranstaltung war mal wieder ein Beweis dafür.
    Es war an einem Samstag, und Hans Büttgen hatte spontan beschlossen, mit seinen beiden Söhnen nach Bonn zu fahren, um einen ganzen Nachmittag auf der Kirmes zu verbringen. Einfach so. Nur er mit den Kids. Völlig außer der Reihe. Allein da hätte Billy schon stutzig werden können, aber angesichts des bevorstehenden Abenteuers dachte er gar nicht daran, sondern freute sich lieber. Rein und überschwenglich und ohne einen bösen Hintergedanken. Am Ende sollte er leider feststellen, daß er sich verfreut hatte.
    Hans Büttgen schnappte sich also seine beiden Jungs und machte sich mit ihnen auf in Richtung Hauptstadt. Mit Bus&Bahn und klarem Ziel. Und es dauerte auch nicht lange, bis feststand, wo dieses Ziel lag. Nach einem kurzen Orientierungsgang über den Rummel steuerte er nämlich eine der unzähligen Bierbuden an, machte es sich am Tresen bequem, bestellte bei der überaus reizenden Bedienung ein Kölsch, trank es in einem Zug, machte sich bei den Anwesenden bekannt, lernte in zwei Sekunden sieben neue Freunde kennen, bestellte ein weiteres Kölsch, trank es in zwei Zügen, und wollte schon zum dritten Bier schreiten, als ihm plötzlich einfiel, daß er ja noch zwei Kinder dabeihatte, die dem Saufen dummerweise noch nichts abgewinnen konnten und daher beschäftigt werden mußten.
    Hans Büttgen fischte ein bordeauxfarbenes Portemonnaie aus seiner Hosentasche, zog zwei Zwanziger heraus und steckte Thomas und Billy in jovialer Manier jeweils einen davon zu. Die Rede, mit der er sein Tun erklärte, war rauschend.
    »Hier, Jungs. Zwanzig Mark für jeden. Na, ist das großzügig? Egal, macht damit was Ihr wollt. Aber bleibt in der Nähe. Und wenn euch irgend etwas passiert, ich bin hier.«
    Für Thomas ging damit ein Traum in Erfüllung. Er sagte kurz »Danke«, und schon war er mit dem grünen Schein inder Hand verschwunden. Nur Sekunden später schlug er an der Kasse des nächstbesten Autoscooters auf und kaufte sich für seine gesamten 20 Mark eine Tüte Chips. Dann stopfte er sich die Chips in die Hose, ging zur Fahrfläche, stellte sich an den Rand, beobachtete eine Weile das Geschehen, taxierte, was die anderen so draufhatten, entschied sich nach einigem Hin und Her endlich für
sein
Auto, wartete bis es frei wurde und setzte sich hinein. »Einsteigen und dabeisein«, brüllte eine abgezockte Stimmungskanone in ihr Mikrophon. »Das macht Spaß, das macht Freude. Und jetzt alle Mann rauf aufs Gas, denn jetzt geht sie ab, die Luzi …« Eine Sirene jaulte auf, und alle Lampen gingen an. Endlich. Thomas steckte den ersten Chip in den Schlitz, trat aufs Gaspedal und war für die nächsten eineinhalb Stunden nur er selbst.
    Billy ließ sich wesentlich mehr Zeit. Die Entscheidung, in welche der unzähligen Attraktionen er seine zwanzig Mark investieren wollte, mußte reifen. Das Risiko eines

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