Das weisse Kaenguruh
Babyvogel ganz allein in seinem Nest und friert. Ganz schlimm. Er ist sogar schon ein bißchen blau angelaufen.
Dann kommt ein Guru vorbei und sieht den Babyvogel da so in seinem Nest sitzen und zittern, am ganzen Körper. ›Da muß man was machen‹, denkt sich der Guru und schaut sich um. Und wie er sich so umschaut, sieht er, daß direkt unter den Baum, auf dem der Babyvogel sein Nest hat, anscheinend kurz zuvor ein Hund einen richtig schönen Haufen hingesetzt hat. So groß …«
An dieser Stelle der Geschichte ließ Billy für einen kurzen Moment das Lenkrad los und imitierte mit seinen Händen einen Hundehaufen in der Größe eines Medizinballes.
»… und so frisch«, machte er weiter, »daß er sogar noch dampft, der Haufen, in der kühlen Morgenluft. Und der Guru denkt sich: ›Na ja, wirklich appetitlich ist das zwarnicht, aber was soll’s, scheiß drauf sozusagen, dem Vogel ist schließlich kalt, und erstunken ist noch keiner, erfroren dagegen schon.‹ Und so nimmt er den Babyvogel aus dem Nest und setzt ihn mitten hinein in den Hundehaufen.
Da staunt der Babyvogel natürlich nicht schlecht und denkt sich: ›Komisch.‹ Und er rümpft auch ein bißchen die Nase, klar. Aber dann ist ihm der Gestank auf einmal völlig egal. Weil er plötzlich spürt, daß ihm wunderbar warm wird. Ihm war ja so schrecklich kalt gewesen, verstehst du? Und jetzt freut er sich, daß ihm endlich warm ist und fängt an zu tschilpen. Und er tschilpt und tschilpt, was er nur kann. Und er tschilpt immer lauter, aus lauter Freude darüber, daß ihm endlich nicht mehr kalt ist.
Als der Guru das sieht, ist er zufrieden mit sich und geht davon. Er hat ein gutes Werk getan, denkt er. Und der Babyvogel gibt ihm recht, denn er tschilpt immer weiter und ist fröhlich und tschilpt und tschilpt und tschilpt. So laut, daß ihn irgendwann ein Fuchs hört, der in der Nähe im Wald herumliegt. Dummerweise handelt es sich bei diesem Fuchs um einen ziemlich hungrigen Fuchs. Er hat schon lange nichts mehr gegessen, der Fuchs, und so trottet er los, um mal zu gucken, ob da nicht vielleicht was geht, essenstechnisch und so weiter.
Und nach kurzer Suche entdeckt der Fuchs den Babyvogel, wie er da so mitten in dem Scheißhaufen sitzt und fröhlich vor sich hinpfeift. Und dann denkt sich der Fuchs: ›Na ja, stinken tut es schon gewaltig, und besonders köstlich sieht auch anders aus. Aber egal, ich bin schließlich am verhungern, da muß ich durch.‹ Und schon hat er den Babyvogel aufgefressen. Und jetzt frage ich dich, Euro, was lernst du aus dieser Geschichte?«
Der Euro dachte einen Moment lang nach. Dann grinste er.
»Ganz klar«, sagte er und hatte die Lösung. »Fuchs kann immer kommen.«
»Du lernst drei Sachen«, sagte Billy, ohne auf die Antwort vom Euro einzugehen. »Erstens: Nicht jeder, der dich in die Scheiße reitet, ist dein Feind. Zweitens: Nicht jeder, der dich aus der Scheiße rausholt, ist dein Freund. Und ganz wichtig drittens: Egal warum, wenn du in der Scheiße sitzt, halt einfach das Maul.«
Der Euro verzog die Brauen und schaute ein paar Sekunden lang skeptisch zur Frontscheibe hinaus. Dann streckte er den Oberkörper durch, ließ die Gelenke knacken und klatschte sich mit beiden Händen zackig auf die Oberschenkel.
»Jetzt verstehe ich dich«, sagte er und legte dabei – mal wieder – eine Hand auf Billys Schulter. »Das ist ein Argument, das muß ich schon zugeben. Aber zu jedem Argument gibt es glücklicherweise ein Gegenargument. Und ob du es glaubst oder nicht, für deinen Fall habe ich wahrscheinlich das beste Gegenargument, das es gibt in diesem Universum.«
»Laß dich nicht aufhalten, Euro«, sagte Billy. »Mir kannst du es ja sagen.«
»Auf deine Verantwortung«, sagte der Euro und ließ sich nicht lange bitten.
Keine Sekunde später zog er mit großer Geste aus der Reverstasche seines Anzuges ein durchsichtiges, konisches Plastikröhrchen heraus, schnippte den roten Deckel herunter und holte – betont langsam – das hervor, was er das beste Gegenargument im Universum nannte.
»Ladies and gentlemen«, sagte er und hielt die Tüte wie den heiligen Gral in die Luft. »Here he comes. My special friend, der Marley Bob. Bürger von Bayern.«
Der Schuhbeck Alfons.
Die Frage war für Billy nicht etwa, ob der Euro wie ein Kiffer aussah. Heutzutage kiffte ja sowieso jeder. Nein, die Frage war vielmehr, ob der Euro wie einer aussah, mit dem er, Billy,hier und jetzt gerne einen kiffen würde.
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