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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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plötzlich überall leere Flaschen herum. Bushmills und Früh. Und täglich mehr davon, denn der Weg zum Altglascontainer war weit und jede Minute kostbar.
    Billy hatte sich verändert. Er hatte keine Zeit mehr für nichts, und selbst Annabelle sah ihn immer seltener. Und wenn, dann war er eben besoffen. Mal mehr, mal weniger, aber immer irgendwie besoffen. Studentischer Spiegeltrinker halt. Und extrem reizbar war er dazu. Er explodierte bei einem falschen Wimpernschlag.
    »Wieso machst du dich so kaputt?« fragte ihn Annabelle nach einer Weile.
    »Hör mal, ich weiß, daß es falsch ist, ja? Aber es geht gerade nicht anders«, antwortete Billy.
    »Und wie lange soll ich dich noch so ertragen?«
    »Wenn es dir nichts ausmacht, bis zum Ende.«
    »Wenn du so weitermachst, kann das ja nicht mehr lange dauern.«
    »Ja, Mama.«
    Das Resultat war die totale Entfremdung. Billy und Annabelle fingen an sich zu streiten. Das hatten sie vorher noch nie getan. Mehr als dreieinhalb Jahre hatten sie in vollkommener Harmonie gelebt, und plötzlich war davon nichts mehr zu spüren. Der Alkohol rettete Billy vermeintlich das Leben und war zugleich sein Killer. Annabelle kam nicht mehr an ihn heran, und er ließ es geschehen. Ohne Gegenwehr. Er war am Ende und nahm es wie der Fatalist, der bei Ebbe auf der Sandbank steht und hofft, daß die Flut ausnahmsweise einmal ausfällt.

Paris, die Stadt der Liebe.
    Wie war das noch? »Da müssen wir jetzt eben durch«, hatte Billy drei Monate vor seinem Examen noch zu Annabelle gesagt, und sie hatte geantwortet: »Laß es uns versuchen.« Danach haben sie sich nur noch zweimal gesehen. Einmal für eine überflüssige Nacht, und einmal für einen Augenblick. Es war an einem Sonntag nachmittag um drei. Annabelle war mit Billy verabredet. Als sie pünktlich bei ihm ankam, lag er im Bett und schlief. In seinem Mund steckte eine verglimmte Zigarette und in seinen Armen hielt er eine fast leere Flasche Bushmills. Annabelle nahm Billy die Kippe aus dem Mund, küßte ihn noch einmal kurz auf die Stirn und ging. Dann fing sie an zu weinen und gab auf.
    Billy hatte es also endgültig verbockt. Er schmiß den Toaster gegen die Wand, aber es war zu spät. Es war Montag mittag, und Annabelle saß bereits im Flieger nach Paris. Sie wollte ihren Lebenslauf schon immer mit einem Auslandsaufenthalt schmücken, und im Gegensatz zu Billy setzte sie ihr Vorhaben jetzt auch um. Ein Freund ihres Vaters hatte in Paris eine Privatklinik und den passenden Job dazu. Für Annabelle war das die perfekte Möglichkeit, ihre Liebe zu Frankreich und den Wunsch nach einem fetten Credit im CV zu verbinden. Sie hatte sich sofort entschieden und für ein halbes Jahr zugesagt. Sie freute sich sehr darauf. Auch wegen Billy. Eine Pause von ihm, so dachte sie damals, war sicherlich nicht die schlechteste Idee. Und wenn sie wiederkam, so hatte sie sich die Lage schöngeredet, könnte man es ja vielleicht noch mal versuchen. Sie wollte ihre Liebe schließlich nicht einfach so wegwerfen. Deswegen hatte sie sich diesen letzten Tag vor der Abreise extra freigehalten. Sie wollte Billy noch einmal sehen und mit ihm reden. Sie wollte Klarheit und eine Vision. Sie hoffte auf ein paar schöne, nüchterne Stunden mit ihm, damit ihr Glaube nicht verlorenging. Und Billy hatte gewußt, wie wichtig ihr das war. Sie hatte es ihm gesagt, als siesich am Telefon für Sonntag verabredeten. Aber jetzt war Montag, und er hatte es verschlafen.
    Der Toaster zersprang in mehrere Teile, und Billy schrie ihm vor Wut auch noch hinterher. Als er sicher sein konnte, daß Annabelles Flieger in Paris gelandet war, griff er sich das Telefon und rief sie mit dem weltschlechtesten Gewissen an.
    »Guten Morgen«, meldete sich Annabelle. »Wieviel haben wir denn heute schon drin?«
    »Es tut mir so leid«, heulte Billy.
    »Du bist so kaputt, Billy, echt.«
    »Es tut mir so leid«, wiederholte er nur. »Es tut mir so schrecklich leid.«
    »Ja und? Was soll ich jetzt sagen? Ich bin eben mit einem Typen zusammen, der neuerdings ständig besoffen ist? Was soll’s? Andere werden geschlagen? Aber anders geht es ja anscheinend nicht, habe ich recht? Mann, du bist so ein blöder Scheißkerl.«
    »Du hast ja recht«, sagte Billy und heulte immer noch.
    »Na, danke schön. Dann versetz dich bitte mal in meine Lage. Ich habe es mir die ganze Zeit mit angesehen. Deine Panik, deinen ganzen scheiß Absturz, deinen Selbsthaß. Und ich habe es ausgehalten. Immer wieder. Und zwar für

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