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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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sich auf. Der OP war ihr Atelier. Die Chirurgie war ihre Passion.
    Billy freute sich für Annabelle und dafür, daß ihr der Weg so klar schien. Aber ebenso sah er die Entwicklungen mit einergewissen Sorge. Wenn ein Mann in einer Beziehung von seiner Frau beruflich nicht nur überholt, sondern förmlich stehengelassen wird, kann das mittelfristig zu schlechtem Sex führen. Das hat nichts mit mangelnder Emanzipationsakzeptanz zu tun, sondern ausschließlich mit den Eiern. Wenn ein Mann könnte, aber nicht will, ist das so unerotisch wie Herrenhandtaschen am Handgelenk oder Treckletten an den Füßen. Man muß wenigstens auf gleicher Augenhöhe miteinander schlafen können, sonst ist es mit der Liebe irgendwann ganz schnell vorbei. Daran haben auch 4 Millionen Jahre Alice Schwarzer nichts geändert. Frauen wollen keinen Loser als Mann, und Billy wollte nicht der Ex-Loser seiner Frau werden.
    Annabelle hatte diesen Zusammenhang bisher freilich nie erwähnt. Billy konnte sich ihrer Liebe auch nach mehr als drei Jahren immer noch sicher sein. Aber allein ihre Reaktion, als er ihr die Entscheidung mitteilte, sein Studium nun endlich zu Ende zu bringen, war mehr als ein Indiz. »Ich hänge mich jetzt zwei Semester voll rein«, hatte er gesagt, und sie antwortete nur: »Wahnsinn, daß du noch mal erwachsen wirst. Allein, ich glaube es dir nicht.« Billy hatte die Zeichen gesehen und verstanden. Er mußte Annabelle zeigen, daß sie mit ihrer Einschätzung danebenlag. Er konnte ja nicht damit rechnen, daß es so tief in den Keller ging.

Kleiner, rostiger Tiger.
    Seine Diplomarbeit war die erste Stufe nach unten. Dabei war er am Anfang noch voller Angriffslust gewesen. Er hatte die Idee dafür aus dem letzten Urlaub mitgebracht. Annabelle und er hatten im Winter zwei Wochen Vietnam gebucht, und die Reise war mittelmäßig schön gewesen. Mit Annabelle auf Reisen zu gehen hatte für Billy zwar nichts von seinem ursprünglichen Reiz verloren, aber Vietnam war leiderdas falsche Ziel für verliebte Hippietouristen. Vor allem der Norden. Die Landschaft hatte für den gemeinen Europäer sicherlich noch den exotischen Reiz der pittoresken Armut. Steinalte Bauern, die auf Wasserbüffeln durch herrlich grüne Reisfelder in den Sonnenuntergang pflügen, sind natürlich immer Fuji-Photo-Point. Aber schaute man nur einem Menschen ehrlich in die Augen, bekam man sofort zu spüren, welche Verwüstung der Westen in der vietnamesischen Volksseele hinterlassen hatte. Wenn man ein Volk erst kolonisiert und dann mit Agent Orange vergiftet und mit Napalm belegt, muß man sich nicht wundern, daß der Bevölkerung irgendwann die Grundfröhlichkeit abhanden kommt. Zum Glück konnte man sich mit ein paar Dollars das Lächeln dann wieder zurückkaufen. Manchmal ist der Kapitalismus schon eine geile Medizin.
    Die zwei Wochen in Vietnam hatten mehr einen läuternden als einen romantischen Charakter gehabt, aber trotzdem waren es in der Retrospektive schöne Ferien gewesen. Annabelle war grundsätzlich zufrieden, wenn die Luft heiß war und die Kokosnußmilch frisch, und auch Billy hatte schnell sein Elixier gefunden, das ihn bei Laune hielt. Auf dem Hinflug hatte er nämlich im ›Lonley Planet‹ gelesen, daß die Verwertung
von
sowie der Handel
mit
Altmetall in Vietnam anscheinend ein entscheidender Wirtschaftszweig war. Die beiläufige Information, mit der der Reiseführer da aufwartete, kam für Billy als altem Schrotti daher wie eine unerwartete Verheißung. Vietnam rostete also. Wie spannend!
    Die Reise hatte für Billy plötzlich einen tieferen Sinn bekommen, und er wurde zum Detektiv in eigener Sache. Vom ersten Tag an machte er sich mit der Kamera auf die Suche nach den Spuren seiner alten Leidenschaft. Er photographierte Menschen, die mit Sackkarren voller Eisenteile durch die Gassen schoben, er schoß Dutzende von Bildern einer todgeweihten Werft, in der Schiffe abgewrackt wurden, undbei jedem Schritt hielt er die Augen offen, um bloß nicht am ultimativen Souvenir für seine Sammlung vorbeizustolpern. Am Ende war es eine schlichte Patronenhülse US-amerikanischer Herkunft, die er in der Nähe eines Tempels gefunden hatte. Für ihn paßte das.
    Als er wieder zu Hause war und die Patronenhülse in sein mittlerweile zweiundzwanzigstes Regal stellte, hatte er dann die Idee. Es ging um das Thema seiner Diplomarbeit. Er hatte sich ja schon mehrfach Gedanken gemacht, aber eingefallen war ihm praktisch nichts. Bis zu diesem Moment. Völlig

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