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Das weisse Kaenguruh

Das weisse Kaenguruh

Titel: Das weisse Kaenguruh Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Praxenthaler
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täuschte.
    »Ich hab’s geschafft, Baby. Ich habe es geschafft«, rief er freudestrahlend in sein Telefon, als sich Annabelle meldete.
    »Billy!«
    »Ja, Süße, ich bin’s. Und ich habe es geschafft. Ich habe es dir gesagt. Ich schaffe es. Und ich hatte recht. Es ist vorbei. Ich kann dir gar nicht sagen, wie gut das tut.«
    »Das kann ich mir vorstellen.«
    »Ich wußte, daß sich das Warten lohnt. Mann, ich bin jetzt Diplom-Kaufmann! Stell dir das mal vor. Ich! Wahnsinn, oder? Und ich liebe dich so sehr. Und ich will dich sehen. Und ich will mit dir schlafen.«
    »Du, hör mal«, unterbrach ihn Annabelle in seiner Euphorie. »Ich kann ja verstehen, daß du dich freust und so weiter. Aber es ist gerade echt ungünstig. Ich bin mitten in der Arbeit, verstehst du? Und außerdem muß ich gleich ins OP.«
    »Kein Problem, dann reden wir einfach später. Wann bist du fertig?«
    »Keine Ahnung. Aber es wird sicher spät.«
    »Dann rufe ich dich heute abend an. Gegen zehn? Ist das spät genug?«
    »Ich bin heute abend aber nicht zu Hause.«
    »Ach? Und wieso? Ich meine, wo bist du denn?«
    »Ich werde die nächsten Tage nicht in Paris sein. Wenn wir hier fertig sind, fahre ich mit Pierre nach Nizza. Und da …«
    »Wer ist Pierre?« fragte Billy überrascht.
    »Das habe ich dir doch erzählt. Pierre ist der Freund meines Vaters, dem die Klinik hier gehört, schon vergessen? Ich arbeite für ihn.«
    »Ja, ja, klar. Natürlich erinnere ich mich. Aber wieso fährst du mit dem nach Nizza?«
    »Wir haben da einen Kongreß.«
    »Einen Kongreß«, fragte Billy weiter. »Was denn bitteschön für einen Kongreß?«
    »O Mann, Billy! Dafür habe ich jetzt echt keine Zeit. Hör mal, ich komme am Zwölften nach Hause. Da hat mein Vater seinen Sechzigsten. Dann melde ich mich, okay?«
    »Was ist los, Annabelle? Was soll das?« wollte Billy wissen und spürte, daß etwas anders war. »Wieso erst dann? Wieso können wir uns nicht vorher sprechen? Komm schon, ich meine, der Zwölfte, das ist erst Samstag. Das ist noch fast eine Woche. Das ist mir zu lang.«
    »Eine Woche ist dir zu lang, ja?« sagte Annabelle und wurde plötzlich wütend. »Was denkst du dir eigentlich? Ich soll monatelang auf dich warten, und du gibst mir nicht mal eine Woche? Glaubst du, daß ich hier die ganze Zeit gesessen habe, um auf deinen Anruf zu warten? Und dann soll ich alles sofort stehen und liegen lassen, oder wie?«
    »Natürlich nicht«, sagte Billy.
    »Dann akzeptier das auch, bitte. Ich habe dir gesagt, daß ich mich melde, wenn ich in der Stadt bin. Es hat sich einfach viel getan bei mir, verstehst du? Ich will das nicht am Telefon besprechen.«
    Billy machte eine Pause und wußte nicht, was er damit anfangen sollte.
    »Ich liebe dich«, sagte er dann und hoffte auf eine Antwort. »Ich muß jetzt los«, sagte Annabelle. »Ich ruf dich an. Mach’s gut.«
    Dann legte sie auf.

La Tortur Eifel.
    Am Abend lag Billy in seinem Schlafsack und dachte nach. Er war in die Eifel gefahren, hatte in der Nähe von Bad Münstereifel auf freiem Feld geparkt und die Rückbank umgeklappt. Er liebte es, im Auto zu schlafen. Die Heckklappe auf- und die Nacht hineinlassen. Und am Morgen wurde man wieder wach und schaute nach Osten und in die Sonne. »Wozu braucht der Mensch ein Hotel«, hatte er sich irgendwann einmal gedacht. »Es gibt doch Kombis.« Und ab da fuhr er nichts anderes. Man hatte sein Bett immer dabei, konnte sich an die schönsten Plätze stellen und hatte immer tausend Sterne. Das schaffte kein Hotel. Nicht für den Preis.
    Es war mittlerweile kurz vor Mitternacht, Billy war besoffen, und er hatte sich gerade sein Schlafbier aufgerissen. Es war ein emotionell schizophrener Tag gewesen, und man konnte es ihm nicht übelnehmen. Auch die mittlerweile 43. Zigarette, die er dazu rauchte, ging voll in Ordnung. Es kam ihm so vor, als hätten ihm die letzten zwölf Stunden mehr zugesetzt als seine gesamte Examenszeit zusammen, und das war der gute Grund, weshalb er es sich an diesem Abend noch einmal richtig gab. Er war zu einem Ergebnis gekommen und hatte sich entschieden. Und weil jeder Neubeginn ein Moment zum Feiern ist, schoß er sich ein letztes Mal weg. Ohne schlechtes Gewissen, denn ab morgen, das hatte er sich fest vorgenommen, würde sich sein Leben ändern. Wieder mal. Radikal und endgültig. Ehrenwort.
    Ab morgen wollte er mit dem Saufen aufhören und endlich wieder ganz der Alte sein. Er wußte, daß er Annabelle nur zurückgewinnen konnte, wenn er

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