Das Weisse Kleid Des Todes
persönlich dabei sein. Ich möchte, dass die Anklage gegen diesen Jungen hieb-und stichfest ist.« Er sah mit zusammengekniffenen Augen in die Ferne. »Wir werden eine instanzenübergreifende Anordnung brauchen, um sein Zimmer in der Militärakademie durchsuchen zu können. Und ich will, dass sein Jeep …«
Clare schnitt ihm das Wort ab. »Kann ich jetzt mit ihm sprechen? Nicht als Betroffene, sondern als Pastorin seiner Pfarrei?«
Russ runzelte die Stirn. »Sie kennen ihn doch erst seit heute Morgen. Was für ein pastorales Verhältnis sollten Sie zu ihm haben?«
»Darum geht es nicht, Russ. Ich will ihm helfen, wenn’s geht. Er steckt offensichtlich in sehr großen Schwierigkeiten.«
»Oh, ja. Weil er zwei kaltblütige Morde sorgfältig geplant und ausgeführt hat und weil ich ihn nun an den Eiern habe. ’tschuldigen Sie den Kraftausdruck. Und vergessen wir nicht, dass er mit Ihnen das Gleiche vorhatte, wenn Sie ihm nicht entwischt wären. Jesu-, äh, Mensch, Clare, Sie würden wohl noch für Charles Manson ein gutes Wort einlegen!«
»Ein gutes Wort einlegen vielleicht, auch wenn ich sein Verhalten nicht rechtfertigen will.« Sie verschränkte die Arme. »Aber jeder kann Vergebung finden, Russ. Und jeder kann um Vergebung bitten. Daran glaube ich einfach.«
Er nahm seine Brille ab und putzte sie an seiner Hemdbrust. »Ich weiß nicht mal, was Sie hier zu suchen haben. Nach meinem Gespräch mit Kaminsky möchte ich, dass Sie meinen Pick-up nehmen und nach Hause fahren.« Er klopfte an die Tür zum Vernehmungsraum. »Wesley? Reverend Fergusson würde gern mit Ihnen sprechen, als Ihr« – er warf Clare einen Blick zu – »geistlicher Beistand. Ist das okay für Sie?«
Eine Pause trat ein. »Meinetwegen.«
Russ öffnete die Tür. »An der Wand ist ein Alarmknopf. Wenn der Typ Ihnen irgendwie zu nahe kommt, drücken Sie drauf. Ich bin in ein paar Minuten zurück.«
Clare nickte. Das Zimmer war eine kleinere Version des Einsatzraums, aber ohne Fenster. Schwere, abgenutzte Holztische und -stühle, Wände in langweiligem Anstaltsgrün. Sie hatte gedacht, es gäbe einen dieser Spiegel wie im Kino – von der einen Seite durchsichtig –, aber anscheinend war die örtliche Polizei nicht ganz auf der Höhe der Kinematographie.
Wesley stand mit dem Rücken zur Wand am anderen Ende des Raumes und schaute sie misstrauisch an. Als Clare einen Stuhl nahm, musste sie feststellen, dass dieser mit Bolzen am Boden befestigt war. Sie setzte sich und stützte ihr Kinn in die Hand. »Wissen Sie, ich bin diejenige, die Cody gefunden hat.«
Wesley starrte auf seine Stiefel. »Ja, ich weiß.« Er warf ihr einen schnellen Blick zu. »Mein Dad sagt, Sie hätten sich mächtig ins Zeug gelegt, damit die Burns ihn adoptieren dürfen.«
Sie nickte. »Du könntest uns dabei helfen. Als Codys Vater reicht eine Unterschrift, um ihn zur Adoption freizugeben. Die Burns müssten dann nicht länger in der Luft hängen.«
Er wischte mit seiner Stiefelspitze über den gesprenkelten Vinylboden. »Uns ist wohl nie klar geworden, dass man ein Baby nicht einfach weggeben kann. Ich hatte nicht vor, sie zappeln zu lassen. Wir wollten bloß … Es war bequemer, nicht darüber nachzudenken – dass ein Baby unterwegs war. Richtig geplant hatten wir eigentlich gar nichts.«
»Und das Motel? Der falsche Personalausweis? Da muss doch Planung im Spiel gewesen sein.«
»Einen alten Ausweis hatte ich schon. Hab ihn gefälscht, damit ich, ähm, in Kneipen rein kann.« Er sah auf die gegenüberliegende Wand. »Wir haben uns vor der Schule getroffen – Katie kam mit dem Auto ihrer Mitbewohnerin – und beim erstbesten Hotel angehalten. Wir wussten nicht mal, ob es wirklich so weit war – mit ihr, meine ich. Sie hatte diese, Sie wissen schon, unechten Wehen.« Er legte den Kopf schief. »Das Ganze schien so irreal. In diesem Motel zu sein, das Baby und alles. Ich wollte bloß, dass mein Leben wieder wie früher würde, ohne dass unsere Eltern was merkten.«
»Warum habt ihr Cody an der Kirche ausgesetzt und ihn nicht zu den Burns gebracht?«
»Die waren nicht da, als wir vorbeifuhren. Dann fiel mir ein, dass meine Eltern an diesem Abend über den Empfang für die Pastorin geredet hatten. Wir dachten, irgendjemand würde das Kind schon finden, den Brief lesen und es den Burns übergeben. Ganz schön bescheuert, was?«
Sie biss sich auf die Unterlippe. »Bestimmt nicht das Intelligenteste, nein.«
Er warf ihr einen Blick zu. »Hey, meinen Sie,
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