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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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Karre zu schnell, lässt sich mit seinen Kumpels auf Schlägereien ein und düst runter nach Albany, um mit denen, die schon ein für allemal tschüs gesagt haben, einen draufzumachen.«
    Er bog in eine schmale Landstraße ab, über die verschneite Äste hingen. Der Weg wurde merklich holpriger. Sie schwiegen, während Russ nach vorne spähte, um die schlecht geräumte Fahrbahn zu meistern, und Clare über Ethan Stoner nachdachte. Auf einer Lichtung, die von ein paar Reifenspuren durchzogen war, endeten sie in einer Sackgasse.
    Clare starrte in den Schnee und die Dunkelheit. »Wo sind wir hier?«
    Russ machte die Tür auf. Kalte Luft strömte in den offenen Parka von Clare. »Das ist der Autoabstellplatz von Payson’s Park«, sagte Russ, während er nach zwei schweren Stablampen hinter ihrem Sitz griff. »Den Sommer über baut die Stadt hier Picknickbänke und Grills auf, und es hängt immer jemand ein paar Autoreifen zum Schaukeln an die großen Äste über dem Kill. Ist wirklich hübsch.«
    Clare ließ sich eine der Stablampen reichen und stieg aus. »Es stehen gar keine Autos hier«, sagte sie. »Erzählen Sie mir nicht, Ihre Liebespärchen würden sich irgendwo im Schnee wälzen. Dass Teenager heißblütig sind, weiß ich ja, aber …«
    Russ stapfte durch die Scheinwerferstrahlen zum Rand der Lichtung. »Hier ist ein Trampelpfad, der sich etliche Meilen am Fluss entlangzieht. Als ich noch klein war, ging man entweder zu Fuß oder gar nicht, aber heutzutage fährt ja jeder mit Vierradantrieb. Da, bitte: Reifenspuren.«
    Er richtete seine Stablampe in die Wälder, und Clare konnte sehen, wie sich der Weg am Picknickplatz vorbei über eine Bodenerhebung zog. Mit schweren Schritten marschierten sie weiter, um den Reifenabdrücken in dem weißen, unberührten Schnee zu folgen.
    »Eine halbe Meile flussaufwärts gibt’s eine stillgelegte Eisenbahnbrücke. Das ist auch so eine Stelle, die wir gern im Auge behalten, von wegen Alkohol und Drogen. Die Uferböschung reicht vom alten Schienenbett bis unter die Brücke. Viele Leute fahren lieber über den Weg am Fluss dorthin, statt die Kletterpartie zu riskieren.«
    »Ich kann mir nicht helfen, aber gibt es nicht gemütlichere Plätze, um einen zu heben?«, fragte Clare. Ihr Atem schimmerte im Schein ihrer Stablampe.
    »O ja«, antwortete Russ, während er vor einem schneebeladenen Ast den Kopf einzog. »Aber Napoli’s Spirituosendiscount und das berühmt-berüchtigte Dew Drop Inn liegen keine Meile die Straße rauf. Da kann man noch ordentlich einen zur Brust nehmen, bevor’s nach Cossayaharie geht, eine der letzten alkoholfreien Städte im Staat New York.«
    »Also saufen die braven Bürger von Cossayaharie stattdessen hier im Park?«
    »Weiß nicht, ob ich sie brave Bürger nennen würde, aber –«
    Clare rutschte aus, als der Weg abfiel, und Russ packte sie schnell am Arm. Sie fügte ihrer länger werdenden Einkaufsliste Stiefel mit rutschfester Profilsohle hinzu.
    »Passen Sie auf«, sagte Russ und deutete mit seiner Lampe nach links, wo das Gelände steil nach unten zu dem halb vereisten Flussufer führte, das zwischen kahlem Gestrüpp und schlanken Baumgruppen sichtbar war. »Sie wollen doch bei diesem Wetter da nicht reinfallen.« Clare nickte und lief zwischen den Reifenspuren weiter, während sie mit Russ’ gleichmäßigem Tempo Schritt hielt. »Ich weiß noch, letztes Jahr ist irgend so ein Idiot nachts zur Jagd hier raus. Wollte mit ’ner Blendlaterne Rotwild stellen. Fiel aber stattdessen in den Kill und wäre fast an Unterkühlung krepiert. Natürlich war’s auch nicht gerade hilfreich, dass er sich mit einer Pulle Brombeerschnaps aufgewärmt hatte.«
    »Zur Jagd?« Etwas Dunkles, Glänzendes, nahe am Ufer, sprang ihr ins Auge. Ein Rehbock? Sie richtete ihre Stablampe auf das Dickicht, in dem sich das Tier zu verstecken schien.
    »Zum Wildern. Nachts. Wenn man Rotwild mit einem Scheinwerfer anstrahlt, erstarrt es oft lange genug, dass man abdrücken kann.«
    Der Glanz wirkte irgendwie seltsam – vertraut, aber deplatziert. Clare bewegte den Strahl der Lampe nach rechts und sah eine vom Schnee kaum zu unterscheidende Hand. Der dunkle Glanz, das waren Haare. Die langen, dunklen Haare von …
    »Russ«, sagte sie.
    »Was ist?«
    »Russ.« Sie deutete hin, teilweise überrascht, wie ruhig sie die Stablampe halten konnte. »Da unten.«
    »O mein Gott!« Rutschend hastete er den Hang hinab und hielt sich an Bäumen fest. »Allmächtiger, o Gott, o Jesus,

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