Das Weisse Kleid Des Todes
haben die denn vor? Wollen sie diesem Mädchen zehntausend Dollar geben und dann ab mit ihr nach Bolivien? Mann, da kommt mir echt der Frühstückskaffee hoch.« Ein ersticktes Geräusch ertönte am anderen Ende der Leitung. Nach einem Moment wurde ihm klar, dass Clare ein Lachen unterdrückte. »Ja, im Ernst.«
»Tut mir leid, das ist eigentlich gar nicht komisch.« Sie kicherte. »›Da kommt mir der Frühstückskaffee hoch?‹«
»Jetzt haben Sie einen unserer hübschen blumigen Ausdrücke kennen gelernt.« Der Klang ihres unterdrückten Lachens entschärfte seine Wut, und er seufzte.
»Also gut. Halten Sie es wirklich für möglich, dass Karen und Geoff hinter Ihrem Rücken Kontakt zu der Mutter aufnehmen?«
»Ja.«
Sie seufzte ihrerseits. »Ich auch. Können Sie nicht irgendetwas tun, nachdem jetzt publik ist, wo Cody gefunden wurde? Sie können nicht ernsthaft vorhaben, die Burns einzubuchten.«
»Ich hätte nicht übel Lust dazu. Wenigstens, was Geoff Burns betrifft. Herrgott, so ein arroganter kleiner Scheißkerl. Sorry.« Russ hielt die Zeitung auf Armeslänge von sich, um den Abschnitt noch einmal zu lesen. »Aber nein, mir sind die Hände gebunden. Er mag hier zwar an Grenzen rühren, hat sie aber noch nicht überschritten. Es ist nicht gesetzwidrig, seine Meinung zu der Handlungsweise der Mutter zu äußern oder ihr kostenlosen Rechtsbeistand anzubieten.«
»Sie können die sprichwörtliche Katze also nicht wieder in den Sack zurückstecken. Damit bliebe das Problem, dass die Mutter sich eher an die Burns um Hilfe wenden wird, statt sich der Polizei zu stellen.«
»Dieses Problem besteht, ja.«
»Und wenn Sie den Burns anbieten würden, ihnen bei der Adoption zu helfen?«
»Was?!«
»Sie möchten doch Codys Pflegeeltern werden. Denken Sie mal darüber nach. Auf diese Art spräche nicht nur der Brief zu ihren Gunsten; sie bekämen auch eine innere Beziehung zu Cody. Sie könnten argumentieren, es sei zu seinem Besten, wenn er bei ihnen bleibt.«
»Ja, aber …«
»Ich glaube, wenn die Burns Cody erst einmal haben, werden sie viel weniger bemüht sein, die Mutter zu finden. Und Sie könnten anbieten, wegen der Adoption Ihren Einfluss beim Jugendamt geltend zu machen, unter der Bedingung, dass Geoff und Karen Sie sofort informieren, wenn sich die Mutter meldet.«
»Meinen Einfluss beim Jugendamt, ja?«
»Ach, kommen Sie. Sie kennen doch bestimmt ein paar Leute.« Clares Südstaatenakzent – diese leicht gedehnte Sprechweise – war am Telefon viel deutlicher. »Ich kann Ihnen sagen, mir wurde hier auch die Pistole auf die Brust gesetzt. Mein Gemeinderat will, dass St. Alban’s sich für die Burns ins Zeug legt, und ich habe beschlossen, eine Briefaktion in der Pfarrei zu starten. All diese gut betuchten Republikaner hier … Da muss es doch ein paar geben, die genug gespendet haben, damit einige Politiker die Ohren spitzen, wenn man sie bittet, an dieses ehrenwerte Ehepaar zu denken, das so lange und so geduldig darauf wartet, eine Familie zu bilden.«
Er pfiff durch die Zähne. »Sie sind gut. Schon mal daran gedacht, sich um ein öffentliches Amt zu bewerben?«
Sie schnaubte. »Priester und Politiker sind aus demselben Holz geschnitzt, wussten Sie das nicht?«
»Ich schätze, die Sache wäre einen Versuch wert. Alles ist besser, als darauf zu warten, dass Burns irgendein verschrecktes Mädchen in die Finger bekommt und ihm Geld vor die Nase hält, damit es verschwindet. Wann hatten Sie vor, Ihre Briefschreiber zusammenzutrommeln?«
»Am einfachsten wäre es am nächsten Sonntag während meiner Predigt. Mann, dabei wollte ich über die Erlebnisse sprechen, die ich Freitag auf der Streife mit Ihnen habe. Vielleicht lässt sich ja beides unter einen Hut bringen …« Eine kurze Pause. »Äh … Sie haben es sich doch nicht anders überlegt? Dass ich mitfahren darf?«
»Wenn, dann hätten Sie mich spätestens jetzt dazu rumgekriegt, oder nicht?«
Clare stöhnte. »So war das nicht gemeint …«
»Wahrscheinlich sollte ich mich an unsere Abmachung halten«, lachte Russ, »sonst starten Sie noch eine Briefaktion unter Ihren Schäfchen, damit der Stadtrat mich achtkantig rausschmeißt. Um wie viel Uhr kann ich Sie abholen?«
»Die Abendandacht ist um Viertel nach fünf, also bin ich ab sechs Uhr frei.«
»Sechs Uhr ist gut. Aber ziehen Sie diesmal einen Mantel an, ja? Und ein paar dicke Stiefel.«
»Ich komme mit zwei Paar Handschuhen und in batteriebeheizten Strümpfen. Wirklich,
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