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Das Weisse Kleid Des Todes

Das Weisse Kleid Des Todes

Titel: Das Weisse Kleid Des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Spencer-Fleming
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einen Verdächtigen. Denselben, der mit Katie in dem Motel war, als sie vermutlich das Baby zur Welt brachte, und der später sie und ihren Vater ermordet hat. Das ist viel glatter, viel sauberer, aber wir haben keine handfesten Beweise.« Er tippte mit dem Finger auf Katie McWhorters Autopsiebericht. »Oder es gibt einen – Identität unbekannt –, der Codys Vater ist, und einen, der die beiden McWhorters auf dem Gewissen hat.« Er lächelte Mark schief an, der nachdenklich das Muster auf der Tafel betrachtete. »Vielleicht sollte ich die Tafel mit zu Ryswick nehmen, was?«
    »Ich glaube, es wäre gut, noch einen Wagen zu finden.« Lyle warf Russ die Kreide zu und eilte Richtung Tür. »Eventuell haben wir ja Glück und entdecken in dem Kofferraum einen verdammten Baseballschläger.«
    »O ja«, schnaubte Russ. »Und ’n unterschriebenes Geständnis dazu. Los, mach, dass du wegkommst. Hör auf, Überstunden zu schinden.«
    Lyle winkte zum Abschied und bog um die Ecke. Über dem lauten Stapfen seiner Stiefel auf der Holztreppe konnte Russ ein »Muh!« hören.
    »Dieser Kerl!«, sagte er zu Mark. »Weißt du was? Du überprüfst die Autozulassungen der Burns, und ich übernehme in der Zwischenzeit deine Streife. Wenn ich nachher nicht im Revier vorbeikomme, fahr ich mit dem Wagen einfach nach Hause.«
    »Müssen Sie denn nicht heim?«
    »Nein. Bis Linda am Samstag zurückkommt, mach ich so richtig einen drauf.«
    »Einverstanden.«

    Die Straßen waren früh am Morgen geräumt worden, und die Sonne hatte bereits genug Kraft entwickelt, um den Matsch zu trocknen. Das Fahren machte richtig Spaß, wenn man nicht ständig auf den Zustand der Straßen achten musste. Russ war Richtung Süden unterwegs, wo langgestreckte Täler zwischen sanften Hügeln lagen. Die anheimelnden Lichter von Farmhäusern und Gehöften waren über das ganze Gebiet verstreut. Westwärts und hinter Russ, Richtung Norden, erhob sich das Vorgebirge. Die Höhenzüge unterteilten den Himmel in zwei Arten von Dämmerung, die eine hoch oben, sternenglitzernd, die andere am Horizont, mit Schneeflächen hier und da.
    Russ liebte dieses Fleckchen Erde, den Anblick der alten Hügel, die ihn umgaben, mehr als alles andere. Diese Gegend hatte etwas Unergründliches, ein Geheimnis, das schon bestanden hatte, als die ersten holländischen und schottischen Siedler an den Flüssen, die aus den riesigen Weiten der Wildnis kamen, ihre Farmen bauten, sie dem steinigen Boden abtrotzten. Wenn die Berge – so wie jetzt – im Dämmerlicht undeutlich emporragten, mit den wenigen versprengten Lichtern dazwischen, dann konnte man sich leicht die beinahe dreihundert Jahre zurückversetzen. Noch immer waren die Adirondacks ein wildes, manchmal gefährliches Gebiet, kaum besiedelt und nur mit ein paar Straßen durch eine Wildnis, die sich Tausende von Quadratkilometern über zehn Staatsbezirke erstreckte. Jedes Jahr wanderten einige unvorbereitete oder leichtsinnige Menschen in diese Berge und kamen nie wieder zurück.
    Russ dachte an den Streit, den er in ihrem ersten Winter hier mit Linda gehabt hatte. Sie plante damals, auf den Gore Mountain zu fahren, um mit dem Auftraggeber die Vorhänge für dessen Berghütte zu besprechen. Russ hatte darauf bestanden, sie solle eine Decke, einen Heißwasserkocher, eine Taschenlampe, eine Leuchtrakete und sogar Proviant ins Auto packen. Sie wollte nicht glauben, dass ein abgesoffener Motor oder ein verschneiter Straßengraben den Tod bedeuten könne. Diesen Kampf hatte er gewonnen, und bei ihrer Rückkehr wurde Russ durch die beiläufige Bemerkung belohnt, die Berghütte habe keinerlei Nachbarn im Umkreis von zwanzig Meilen gehabt. Zwanzig steile, einspurige, kaum geräumte Meilen.
    »Zehn-fünfzig an Zehn-fünfzig-sieben, bitte melden.« Das Rauschen des Funkgeräts holte ihn in seinen Streifenwagen zurück.
    »Zehn-fünfzig-sieben, ich höre«, sagte er.
    »Mark ist fertig, Chief«, teilte Harlene mit, »ich soll Ihnen ausrichten, es wäre ein Volltreffer. Es gibt noch einen Wagen.«
    »Bingo! Geben Sie dem Kerl einen Kuss von mir, Harlene.«
    »Wenn’s sein muss …«
    »Ich mache jetzt Feierabend und nehme dieses Fahrzeug mit nach Hause, falls er Lust hat, zu mir zu kommen.«
    »In Ordnung, ich werde Sie vom Dienst abmelden. Vor einer Weile ist ein Anruf für Sie gekommen, von Reverend Fergusson.«
    »Ein Anruf von Clare?«
    »Jawohl ja. Sie möchte Sie im Fall McWhorter sprechen.«
    »Oh. Sonst nichts?«
    »Nein, sonst nichts.

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