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Das weiße Mädchen

Das weiße Mädchen

Titel: Das weiße Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sich bis zu einem kleinen Häuschen mitten im Wald durch, wo sie einen verwahrlosten Jungen fand, der sich scheu in eine Ecke drückte. Sie reichte ihm die Hand – einganzseitiges Bild zeigte diese Hand, vertrauenerweckend ausgestreckt, mit dem silbernen Ring am kleinen Finger, den David seiner Mutter vor Jahren zum Geburtstag geschenkt hatte. Am Ende verließen beide Protagonisten gemeinsam den Wald, Hand in Hand gehend, und erreichten eine Wiese, auf der Blumen blühten. Die allerletzte Seite zeigte eine kunstvoll verzierte dunkle Blüte und eine Widmung – »Für Lea« – mit dem Autogramm Tom Thanatars.
    »Ich bin sprachlos«, flüsterte Lea und wischte sich verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel.
    »Sie bedeuten ihm viel«, erklärte Frau Ilkic. »Durch Ihre beharrlichen Nachforschungen haben Sie ihn von einer Last befreit, die ihn lebenslang bedrückte. Deshalb hat er beschlossen, Ihnen dieses Buch zu widmen.«
    Lea blickte zu dem Zeichner auf, der sein unsicheres Lächeln und einen Anflug von Röte zeigte – ein seltsamer Glanz auf seinem sonst so unbewegten Gesicht.
    »Ich danke Ihnen«, brachte Lea gerührt hervor. Dann erst erinnerte sie sich, dass auch sie ihm etwas zu übergeben hatte, öffnete ihre Handtasche und nahm Christines Tagebuch heraus. »Es tut mir leid, dass ich es entwendet habe. Wenn jemand ein Anrecht hat, es zu besitzen, dann sind Sie es.«
    Uwe nahm das Buch entgegen wie einen lange vermissten Schatz und drückte es mit beiden Händen an die Brust.
    »Danke«, erwiderte er rau, wobei auch seine Stimme schwankte – vielleicht aus Mangel an Übung, vielleicht aber auch, weil er ebenso gerührt war wie Lea.
     
    Sie blieben über eine Stunde, bis Frau Ilkic empfahl, die Runde aufzuheben – vor allem, um ihren Schützling zu schonen, für den der ungewohnte Besuch erhebliche Aufregungbedeutete. Maja, die bisher kaum ein Wort gesagt hatte, geriet beim Aufbruch in große Nervosität und überwand sich erst an der Haustür, ihr Idol in hastigen Worten um ein Autogramm zu bitten. Tom Thanatar lächelte, nahm Majas Ausgaben seiner sämtlichen Werke entgegen und signierte jede Einzelne mit seiner kindlich kleinen Handschrift. Dann verabschiedete er sich mit einem Kopfnicken von David und Jörg, um sich schließlich Lea zuzuwenden.
    »Vielleicht darf ich Sie demnächst wieder einmal besuchen«, schlug Lea vor. »Ich würde nämlich gern in unserer Zeitung über Sie schreiben.«
    Uwe nickte schüchtern.
    »Schön!«, sagte Lea. »Ich freue mich.« Einem Impuls folgend, nahm sie ihn kurz in die Arme. Uwe errötete ein wenig, lächelte jedoch. »Dann bis bald! Ich mache über Frau Ilkic einen Termin aus.«
    Während Uwe die Haustür hinter sich schloss, gingen die vier Besucher zu Leas Wagen. Die Anwältin verabschiedete sich herzlich, hinterließ Lea ihre Handynummer und ermutigte sie, jederzeit anzurufen.
    »Und was machen wir jetzt mit dem angefangenen Tag?«, fragte Jörg, der sich umblickte und die malerische Waldlandschaft musterte. »Wie wär’s mit einem Spaziergang zu viert?«
    »Ach nein, eher nicht«, meinte Lea, die einen bittenden Blick ihres Sohns aufgefangen hatte. »Ich glaube, junge Leute haben anderes zu tun, als am Sonntagnachmittag Spaziergänge zu machen.«
    »Ich hätte nichts dagegen«, sagte Maja höflich.
    Lea lachte. »Das ist lieb von dir. Aber ich habe heute Abend selbst noch etwas vor.«
    »Ach ja?«, fragte Jörg scherzhaft. »Wer ist denn der Glückliche?«
    Lea lächelte ihn an. »Du – falls du nichts dagegen hast. Ich würde dich gern zum Essen einladen.«
    Jörg blickte sie ungläubig an, als könnte er den Sinn ihrer Worte kaum fassen. »Du meinst   …«
    »Ja, ich meine.«
    Ein strahlendes Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus. Er schien seine Aufregung kaum unterdrücken zu können. »Ich kenne da ein sehr gutes Lokal   …«
    »Komm doch einfach zu mir«, sagte Lea. »Ich kann nämlich kochen – das sagt jedenfalls mein Sohn.«
    »Oh ja!« David grinste und nahm Maja bei der Hand. »Aber ihr müsst allein essen, Maja und ich wollen noch weg.«
    »Schon gut«, versicherte Lea und erwiderte unauffällig sein Blinzeln, während sie den Autoschlüssel aus der Tasche zog.

Die Handlung und sämtliche Personen sind fiktiv; Namensentsprechungen, Ähnlichkeiten mit wirklichen Personen oder tatsächlichen Begebenheiten sind unbeabsichtigt und zufällig. Dies gilt auch für im Text genannte Institutionen und juristische Personen wie Presse- und

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