Das Weltgeheimnis (German Edition)
handeln. »Genau elf Jahre lang habe ich in Prag die Schwierigkeit mit dem mir zugewiesenen Hofgehalt durchgemacht zusammen mit meiner Frau, die um ihr Vermögen besorgt war und etwas Besseres wert gewesen wäre. Seit genau drei Jahren war ich darauf bedacht, den Hof zu verlassen und mich an einen ruhigeren Ort zu begeben, und habe schließlich, von drohenden unerträglichen Übeln gezwungen, in Sorge um die Meinigen einen gewaltsamen Ausbruch versucht.«
Gern wäre er an eine Universität gewechselt, nach Padua oder Wittenberg, noch lieber nach Tübingen, wo man ihn allerdings wegen seiner religiösen Überzeugungen ablehnt. Seine Frau hat sich in Prag nie wohlgefühlt. Um ihr und der Familie ein neues Zuhause zu geben, bewirbt sich Kepler kurzfristig an einer Schule in Linz um den Posten eines Mathematikers. Im Juni 1611 bekommt er die Zusage aus Oberösterreich und wird wieder Landschaftsmathematiker in der Provinz.
Kaum hat er die Stelle in der Stadt an der Donau angenommen und ist von dort nach Prag zurückgekehrt, wartet bereits die nächste Unglückbotschaft auf ihn. »Schon war der Ort bestimmt, wo ich hoffen konnte, dass es den Meinigen besser ergehen würde, soweit wir Menschen etwas sicher haben können. Da, in diesem Augenblick, traf mich jener Verlust; ich verlor die Gattin, und die Mühe, die ich mir hauptsächlich ihrer Erholung wegen gemacht hatte, war umsonst.«
Am 3. Juli 1611 stirbt seine Frau Barbara. »Betäubt durch die Schreckenstaten der Soldaten und den Anblick des blutigen Kampfes in der Stadt, verzehrt von der Verzweiflung an einer besseren Zukunft und von der unauslöschlichen Sehnsucht nach dem verlorenen Liebling, wurde sie zum Abschluss ihrer Leiden vom ungarischen Fleckfieber angesteckt (wobei sich ihre Barmherzigkeit an ihr rächte, da sie sich von dem Besuch der Kranken nicht abhalten ließ).«
Keplers Hoffnung auf einen Neubeginn ist durch den neuerlichen Schicksalsschlag zunichtegemacht. Plötzlich ist er ganz auf sich zurückgeworfen, steht allein mit der Sorge um die beiden Kinder da. Der Tod der Frau lässt alle zuvor gefassten Pläne sinnlos erscheinen. »Offenbar sollte ich daran erinnert werden, um wie viel besser der barmherzige Hirt der Seelen für sie gesorgt hat, er, dessen Stab und Stecken uns tröstet, wenn wir in Todesschatten wandeln.«
Was zieht ihn jetzt noch nach Linz, wo sich seine Frau vermutlich heimischer gefühlt hätte als in Prag, wo ihn selbst dagegen kaum Besseres erwartet als ehemals in Graz? In Linz hat er weder Familienangehörige, noch gibt es in der Stadt ein auch nur irgendwie mit Prag vergleichbares intellektuelles Umfeld.
In Prag zu bleiben ist für ihn nach den schrecklichen Ereignissen jedoch auch keine Alternative mehr. Unter der Regentschaft Rudolfs II., der zwar ein schwacher, aber toleranter Kaiser und ein außergewöhnlicher Förderer der Wissenschaft gewesen ist, hat die Stadt eine kulturelle Blütezeit erlebt. Die Entmachtung des Kaisers ist ein deutliches Signal dafür, dass diese Zeit nun zu Ende geht.
Rudolf II. lässt ihn vorerst nicht ziehen. Er will Kepler weiter in seiner Nähe haben. »Ich wurde mit der leeren Hoffnung auf Bezahlung durch Sachsen geködert«, schreibt Kepler über seine Verhandlungen. Bis zum Tod Rudolfs II. im Januar 1612 harrt er noch aus, dann verlässt er die Stadt, in der er seine größten wissenschaftlichen Leistungen vollbracht hat. Ob er in Linz ruhiger wird arbeiten können?
Auf dem Weg dorthin bringt er die beiden Kinder vorübergehend bei einer Witwe in Kunstadt unter. Von dort aus zieht er allein und vieler Hoffnungen beraubt dem neuen Wohnort entgegen.
DER LETZTE BRIEF AN KEPLER
Galilei und das Dekret gegen Kopernikus
In der Geschichte der Naturwissenschaften gibt es Phasen, in denen es zu einem durchgreifenden Umbau von Theorien kommt, die lange Zeit allgemein anerkannt gewesen sind. Das erste Drittel des 17. Jahrhunderts ist eine solche Periode. Eine neue Weltsicht bahnt sich den Weg. Galilei und Kepler arbeiten an neuen physikalischen Grundlagen und mathematischen Formalismen, denen der Mechanik und der Himmelsmechanik.
Wenn es um eine Neubestimmung der Grundbegriffe geht, sind die Erwartungen an wissenschaftliche Gipfeltreffen hoch. Gelehrte wie Matthäus Wackher von Wackenfels in Prag oder Markus Welser in Augsburg, Remo Quietano oder Federico Cesi in Rom versuchen, eine Diskussion zwischen den beiden Forschern anzuregen: Sie wollen die Meinung des einen zu den Arbeiten des jeweils
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