Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
Vom Netzwerk:
eingerichtet hat.
    Im Spätherbst überlässt ihm Matthäus Wackher von Wackenfels für ein paar Wochen ein Fernrohr für nächtliche Beobachtungen. Der kaiserliche Hofrat hat ihn schon das ganze Jahr über mit Büchern unterstützt und mit ihm über Galileis Entdeckungen diskutiert. Gibt es irgendetwas, womit sich Kepler bei ihm bedanken könnte?
    Bei einem seiner täglichen Spaziergänge über die Karlsbrücke denkt Kepler über ein Neujahrsgeschenk für seinen Freund und Gönner nach. Angesichts seiner finanziellen Misere löst sich ein Einfall nach dem anderen in Nichts auf. Da »fügte es der Zufall, dass sich der Wasserdampf durch die Kälte zu Schnee verdichtete und vereinzelte kleine Flocken auf meinen Rock fielen, alle waren sechseckig und mit gefiederten Strahlen«. Die kleinen Sterne, die vom Himmel fallen, erscheinen ihm gerade passend als Geschenk eines Mathematikers, der nichts hat. So macht er Wackher das Nichts oder »Nix« – so die lateinische Bezeichnung für Schneeflocke – zum Geschenk und widmet ihm eine Abhandlung über die sechseckige Gestalt der Eiskristalle.
    »Oh, du viel wissendes Rohr«
    Während er noch den Gründen für die Regelmäßigkeit der Flocken nachgeht, erhält er kurz vor Jahresende neue Nachrichten aus Italien. Galilei kündigt ihm die nächste Entdeckung an. Er schickt ihm »ein Anagramm über eine wichtige Beobachtung, die lange Kontroversen in der Astronomie zur Entscheidung bringen wird und im Besonderen einen schönen Beweis für den Aufbau der Welt im Sinn des Pythagoras und des Kopernikus enthält. Zu gegebener Zeit werde ich die Lösung des Rätsels und verschiedene Einzelheiten mitteilen.«
    Wieder einmal hat der Entdecker die Neuigkeit verschlüsselt: »Haec immatura a me jam frustra legunter, o. y.« – »Dies wird von mir bereits zu früh vergeblich gesucht.«
    Kepler zerbricht sich den Kopf darüber, wie sich die Buchstaben zu einem sinnvollen Text zusammensetzen lassen. Galilei habe ihn durch das Anagramm in einen erbärmlichen Zustand gebracht, schreibt er am 9. Januar 1611 nach Florenz und fleht seinen Kollegen an, ihn nicht länger hinzuhalten. Den beschwörenden Worten fügt er acht verschiedene Lösungsversuche bei, die seine vergebliche Mühe dokumentieren. Galilei solle sehen, dass er es mit einem echten Deutschen zu tun habe.
    Diesmal spannt ihn Galilei nicht gar so lang auf die Folter. Als Kepler brieflich den Notstand ausruft, ist die Auflösung schon unterwegs nach Prag: »Cynthiae figuras aemulatur mater amorum.« – »Venus ahmt die Phasen des Mondes nach.«
    Er habe die Venus zunächst als vollkommenen Kreis gesehen, später als Halbkreis, dann sichelförmig und als von der Sonne abgewandtes Horn. Diese wunderbare Beobachtung, so Galilei, sei ein ganz sicherer und sinnlich unmittelbar wahrnehmbarer Beweis dafür, dass sich die Venus um die Sonne bewege. Dies sei seither von den Pythagoreern, Kopernikus, Kepler und ihm selbst geglaubt, aber noch nie durch die Erfahrung bestätigt worden, so wie jetzt bei Venus und Merkur. So dürften sich also Kepler und die übrigen Kopernikaner mit Recht rühmen, »richtig philosophiert« zu haben, auch wenn es ihnen weiterhin passieren könnte, von der Allgemeinheit der büchergläubigen Philosophen für Toren, wenn nicht sogar für Narren gehalten zu werden.
    Kepler reagiert euphorisch auf die Mitteilung. Der Italiener geht den lang erhofften und vielleicht entscheidenden Schritt auf ihn zu: Er stellt ihn in eine Reihe mit den Pythagoreern und mit Kopernikus!
    Wieder hat Galilei mit seinem Teleskop einen Schleier gelüftet, hinter dem der Kosmos seine Geheimnisse verbirgt. Kepler jubelt: »Oh, du viel wissendes Rohr, kostbarer als jegliches Szepter! Wer dich in seiner Rechten hält, ist der nicht zum König, nicht zum Herrn über die Werke Gottes gesetzt!«
    Die Venusphasen sind eine glänzende Bestätigung für das kopernikanische System, für das er seit Jahren Überzeugungsarbeit leistet und für das Galilei nun endlich offen Partei ergreift.
    Blind vor Begeisterung, liest er das Beste für sich aus dessen Brief heraus. Unter anderem fasst er die wiederholte Erwähnung des Pythagoras als Zustimmung zu seinem Erstlingswerk, dem Weltgeheimnis , auf. »Er weist damit auf mein vor 14 Jahren erschienenes Mysterium Cosmographicum hin, in dem ich die Maße der Planetenbahnen aus der Astronomie des Kopernikus entnommen habe.«
    Galilei hat sich in all den Jahren nie zu irgendeiner von Keplers Arbeiten geäußert.

Weitere Kostenlose Bücher