Das Weltgeheimnis (German Edition)
was sie schließlich mit ihrem Leben bezahlte. Im Februar 1608 ermordete Don Julio sie auf brutale Weise und zerstückelte ihren Leichnam.
In ganz Europa empörte man sich über das grausame Verbrechen. Rudolf II. ließ seinen wahnsinnig gewordenen Sohn zwar einsperren, aber man lastete ihm die fehlgeschlagene Erziehung an, führte sie auf seine mangelnde Frömmigkeit, seine undurchsichtigen Frauengeschichten und seinen Umgang mit Alchemisten und Zauberern zurück.
Don Julio lebte nach dem Mord noch etwas mehr als ein Jahr, wusch sich nicht mehr und bedrohte seine Diener mit dem Messer. In der letzten Juniwoche 1609 ist er unter ungeklärten Umständen gestorben. Hat Rudolf II. seinen Sohn womöglich ermorden lassen? Don Julios grässliche Tat und die Rolle des Kaisers werden nun noch einmal in allen Details aufgerollt.
Die Mondfahrt
Angesichts der dramatischen Ereignisse hat Rudolph II. wenig Sinn für das Werk seines Mathematikers. Keplers großartige Denkleistung geht in tagespolitischen Wirren unter. In Prag ruft die Neue Astronomie so gut wie keinen Widerhall hervor.
Matthäus Wackher von Wackenfels ist einer der Wenigen, die sich nach dem Werk erkundigen. Der zwanzig Jahre ältere Hofrat stammt wie Kepler aus Süddeutschland, hat unter anderem in Padua Jura studiert, ist zum Katholizismus konvertiert, vom Kaiser geadelt und zu einem seiner wichtigsten Berater in rechtlichen Fragen geworden. Mit ihm spekuliert Kepler über die Konsequenzen aus dem neuen Bild des Universums.
Wackher möchte wissen, ob nicht auch der Mond und die Gestirne von Lebewesen bevölkert sind. Wenn die Erde nur ein Himmelskörper unter vielen ist, die um die Sonne laufen, warum sollte der Kosmos dann allein für den Menschen geschaffen sein?
Was die beiden in jenen Sommertagen umtreibt, ist der Nachwelt nur in groben Zügen bekannt. Ihre Debatten aber gehen in einen der bemerkenswertesten und kurzweiligsten Traktate ein, die Kepler je zu Papier gebracht hat. Seinem Freund Wackher zuliebe schreibt er noch im selben Jahr seinen Traum vom Mond nieder.
Während Galilei in Padua intensiv an einer Verbesserung des Fernrohrs arbeitet, stellt der acht Jahre jüngere Kepler eine gedankliche Leiter zum Mond auf. Jahrelang hat er die Bewegungen der Planeten von der Erde aus studiert. Nun verlässt er seinen Heimatplaneten und betrachtet ihn vom fiktiven Standpunkt des Mondes aus.
Der kopernikanischen Sichtweise zufolge dreht sich die Erde nicht nur um ihre eigene Achse, sondern auch um die Sonne. Um die Diskrepanz zwischen unserer alltäglichen Erfahrung und der rotierenden Erde zu überwinden, wechselt Kepler die Perspektive. Dem Leser, den er auf die Reise mitnimmt, vermittelt er die fremde Vorstellung von der doppelten Bewegung des Globus dadurch, dass er den Erdball neu vor ihm in Stellung bringt.
Keplers Traum vom Mond ist ein Paradebeispiel dafür, wie mathematisch-abstraktes Denken der Wissenschaft neue, überraschende Einblicke eröffnet. Der wunderbare Text ist heute kaum noch bekannt. Vielleicht liegt das an seiner phantastischen Rahmenhandlung. Ein Dämon tritt darin auf und wird zum Erzähler. Er schildert die Reise zum Mond als gefährliches Abenteuer, für das ein besonderes Auswahlverfahren vonnöten sei, denn schon der Aufstieg sei lebensgefährlich. »Keinen von sitzender Lebensart, keinen Wohlbeleibten, keinen Wollüstling nehmen wir mit, sondern wir wählen solche, die ihr Leben im eifrigen Gebrauch der Jagdpferde verbringen oder die häufig zu Schiff Indien besuchen und gewohnt sind, ihren Unterhalt mit Zwieback, Knoblauch, gedörrten Fischen und anderen von Schlemmern verabscheuten Speisen zu fristen.«
Wie wichtig die Tauglichkeitsprüfung ist, geht aus der Beschreibung des Starts hervor. »Diese Anfangsbewegung ist für ihn die schlimmste, denn er wird gerade so emporgeschleudert, als wenn er durch die Kraft des Pulvers gesprengt über Berge und Meere dahinflöge.« Deshalb müsse jeder Mondfahrer zuvor durch Opiate betäubt werden. Während des rasanten Aufstiegs habe er dann vor allem eine »ungeheure Kälte sowie Atemnot« zu erleiden.
Später wird die Reise unbeschwerter. Keplers Vorstellung von der wechselseitigen Anziehung von Erde und Mond klingt an dieser Stelle beinahe modern. Die Schwerewirkung der Erde auf die Raumfahrer nimmt ab, die des Mondes zu, »sodass schließlich ihre Körpermasse sich von selbst dem gesteckten Ziele zuwendet«. Gefahr droht allerdings bei der Landung »durch zu harten Anprall an
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