Das Weltgeheimnis (German Edition)
unter anderen der Kardinal und spätere heiliggesprochene Carlo Borromeo, eine der Schlüsselfiguren der Gegenreformation. In einer Zeit, in der die katholische Kirche als dekadent und korrupt gilt, in der Kardinalswürden vererbt und verkauft werden, in der die Bischöfe fern ihrer Diözesen in großem Prunk leben und nicht im Entferntesten daran denken zu predigen, zieht der Erzbischof von Mailand als Kirchenhirte durchs Land und verkündet das Evangelium, geißelt die Missstände und den Sittenverfall im Adel und in der Kirche.
Auch er ist durch Nepotismus zur Kardinalswürde gelangt und hat als Lieblingsneffe des Papstes das langwierige, sich über viele Jahre erstreckende Reformkonzil von Trient mitgestaltet. Am 26. Januar 1564, wenige Tage vor Galileos Geburt, hat Pius IV. die wegweisenden Beschlüsse dieses Konzils bestätigt. Die päpstliche Bulle versteht sich als Bollwerk gegen Protestantismus, gegen die Anhänger Luthers und Calvins. Die Auslegung der Heiligen Schrift soll wieder alleinige Sache der katholischen Kirche werden.
Als vermeintliche Unglücksboten sorgen Kometen immer wieder für Aufsehen, wie dieser Kupferstich aus dem 17. Jahrhundert zeigt. [7]
Um die Konzilsbestimmungen durchzusetzen, ist in Rom ein neues Inquisitionsgericht eingerichtet worden, 1572 hat der Papst die Index-Kongregation ermächtigt, eine offizielle Liste verbotener Bücher herauszugeben. Die kopernikanischen Schriften gehören allerdings nicht dazu. Vorerst nicht.
Carlo Borromeo tritt wie kaum ein Zweiter dafür ein, dass die umstrittenen Konzilsbeschlüsse schnellstmöglich in die Praxis umgesetzt werden. Er stellt die Seelsorge in den Mittelpunkt seiner Arbeit, reformiert sein Erzbistum von Grund auf und stiftet ein Krankenhaus, als in den Jahren 1575 bis 1577 die Pest ganz Italien heimsucht und allein in Mailand 16 000 Todesopfer fordert. Der Kardinal wird für seine Wohltaten genauso bekannt wie für seine Strenge und Härte gegenüber Andersgläubigen – grausame Hexenverfolgungen eingeschlossen.
Sein Besuch in Vallombrosa ist als herausragendes Ereignis in der Geschichte des Klosters festgehalten, wo Galileo und seine Mitstudenten nach strengen Glaubensregeln erzogen werden. Einige von ihnen sehen bereits einer religiösen Bestimmung entgegen. Auch Galileo hat im Alter von fünfzehn Jahren ein solches Ziel vor Augen. Er bleibt bis an sein Lebensende ein überzeugter Anhänger seiner Kirche, auch noch, als diese ihn der Ketzerei bezichtigt und verurteilt.
Als Vincenzo von den Absichten seines Sohnes erfährt, holt er ihn sofort nach Florenz zurück. So plötzlich die Erziehung in dem entlegenen Kloster für Galileo begonnen hat, so abrupt endet sie im Jahr 1578 wieder. Es wird nicht das letzte Mal sein, dass er sich der Autorität seines Vaters beugt.
Der hat andere Pläne mit ihm. Sein ältester Sohn soll den angesehenen Beruf des Arztes ergreifen, zum Unterhalt der wachsenden Familie beitragen und eine angemessene Aussteuer für seine beiden Schwestern erwirtschaften. Vincenzo weiß bloß noch nicht, wie er das Medizinstudium bezahlen soll. Vergeblich bemüht er sich um ein Stipendium für Galileo, eine kostenlose Unterbringung im Collegio di Sapienza in Pisa.
So bleibt der Fünfzehnjährige erst einmal bei der Familie in Florenz, bekommt Einblick in das Künstlermilieu, in dem sich sein Vater bewegt, und lernt die Stadt kennen, die mehr als jede andere in Italien für ihre Baukunst berühmt ist und deren Erscheinungsbild von den prachtvollen Renaissance-Palästen der mächtigen Adelsgeschlechter, der Medici, Strozzi, Pitti und anderen Familien dominiert wird.
Die alte und die neue Musik
In Florenz hat Vincenzo einen besonderen Gönner in Giovanni de’ Bardi gefunden. Der vielseitig interessierte Graf gehört zu den Organisatoren der Feste der Medici und richtet selbst musikalische Abende aus, schreibt Gedichte und engagiert sich in der ersten Sprachenakademie, der Accademia della Crusca, zu deren Mitglied 1605 auch Galileo gewählt wird. Bardi wird sich später auch für Galileos berufliches Weiterkommen einsetzen, zunächst aber unterstützt er den Vater mit Büchern und Instrumenten.
Schon lange beschäftigt sich Vincenzo mit den unterschiedlichen Formen des solistischen Gesangs. Ihm schwebt eine Musik vor, die sich dem Text unterordnet und mit deren Mitteln sich Gefühle wie Schmerz oder abgründiger Hass ausdrücken lassen. Angeregt durch Bardi studiert er antike Schriften, um herauszufinden, wie
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