Das Weltgeheimnis (German Edition)
geplagt worden ist. Sie lässt sich von allem berichten, was Duracoto erlebt und erfahren hat, und erfährt vieles über die astronomische Wissenschaft.
Die Mutter weiht ihn nun ihrerseits in ihre eigenen, geheimen magischen Künste ein. Schließlich versichert sie ihm, »da sie den Sohn als Erben einer Wissenschaft zurücklassen könne, die sie bis jetzt allein besessen«, sei sie nun bereit zu sterben.
In dieser Episode gibt Johannes Kepler wie nirgends sonst zu erkennen, wie ihn die ambivalente Beziehung zu seiner Mutter noch als Erwachsener quält. Als er längst zu den größten Wissenschaftlern seiner Zeit zählt, sehnt er sich immer noch nach ihrer Anerkennung. Sie ist es gewesen, die dem nicht einmal Sechsjährigen erstmals einen Kometen am Himmel gezeigt hat. Im Traum vom Mond kehrt er als erfahrener Astronom zu ihr zurück und versöhnt seinen Wissensschatz mit ihrem.
Vom Glauben seiner Mutter an okkulte Kräfte wendet er sich nie ganz ab. Zeit seines Lebens erkennt er neben physikalischen Kräften auch andere, verborgene an, die das menschliche Schicksal mitbestimmen. Johannes Kepler behält beide Fäden in der Hand. In einem seltsamen Doppelspiel treibt er sowohl die Erneuerung der astronomischen Wissenschaft als auch die der Astrologie, der Sterndeutung, voran.
Sein Hang zur Astrologie erlaubt es ihm unter anderem, seine ganze Familie mit einer Art Generalamnestie von aller Schuld freizusprechen. Auch wenn die Mutter »streitsüchtig« ist, der Vater »lasterhaft«, der Großvater »jähzornig« und die Großmutter »lügnerisch« – was können sie schon dafür? Sind sie nicht lediglich unter einem schlechten Stern geboren?
Der unbequeme Theologiestudent
Die Suche nach Bestätigung treibt ihn zu außergewöhnlichen Leistungen an. »Dieser Mensch«, so Kepler über sich, »ist unter dem Fatum geboren, seine Zeit meist mit schwierigen Dingen zu verbringen, vor denen andere zurückschrecken.« Mit »Feuereifer« habe er sich auf die »ausgefallensten Stoffe« gestürzt, schon als Knabe Versmaße gelernt, versucht, Komödien zu schreiben und die allerlängsten Psalmen auswendig zu lernen. Als Forscher wird es ihn zu den großen kosmologischen Fragen hin- und über die Grenzen des Wissens seiner Zeit hinausführen.
Von allen Fächern ist ihm die Mathematik schon in der Schule das liebste. Hier habe er an vielen Problemen so herumgebohrt, als sei des Rätsels Lösung noch nicht entdeckt, »wovon er aber nachträglich sehen musste, dass es längst gefunden war«. Ungeachtet seiner herausragenden mathematischen Leistungen spielt das Fach in seiner Ausbildung allerdings nur eine Nebenrolle. Als Klosterschüler setzt er sich in erster Linie mit theologischen Fragen auseinander.
Kepler erstellt in jungen Jahren ein Horoskop von sich, in dem er von seiner genauen Geburtsstunde ausgeht. [8]
Die Spaltung der christlichen Religionen bereitet ihm einen »tiefen Kummer«, die Uneinigkeit der Glaubensrichtungen beunruhigt ihn. Da wettert zum Beispiel einer der Priester gegen die Abendmahlslehre der Calvinisten, der zufolge Jesus Christus beim Abendmahl lediglich geistig zugegen ist, während Martin Luther lehrte, dass der wahre Leib und das wahre Blut Christi dabei ausgeteilt würden.
Um zu prüfen, welche Ansicht wohl die vernünftigste sei, zieht sich der Stipendiat in die Einsamkeit und die Lektüre zurück. Schließlich kommt er zu dem Schluss, dass es gerade die ist, die »ich später von der Kanzel als die calvinistische abweisen hörte. Da sah ich also, dass ich meine Ansicht korrigieren müsse.« Was ihm allerdings nicht recht gelingen will, sodass seine Überzeugung in manchen Punkten von der lutherischen Lehrmeinung abweicht.
Jakob Andreä und andere Theologen haben die lutherische Lehre 1577 neu ausgelegt und ihre Exegese im Konkordienbuch zusammengefasst. Auf dieser Basis führen die Protestanten in Württemberg ein ähnlich strenges Kirchenregiment wie die katholischen Spanier auf der gegenreformatorischen Seite. Mit zunehmendem Alter bekommt Johannes Kepler die Kehrseite des Kirchenstaats immer stärker zu spüren.
Der Dogmatismus der Theologen, egal welcher Konfession, stößt ihn ab. Hat nicht Luther das Priestertum als Vermittlerinstanz ausgeschaltet und verkündet, der Einzelne habe sich nach seinem Gewissen direkt vor Gott zu verantworten? An solchen Fragen schult er nach und nach eine kritische Denkfreiheit, die er sein Leben lang behalten wird, obwohl sie ihn in größte Schwierigkeiten
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