Das Weltgeheimnis (German Edition)
die extravaganten Wünsche der Fürsten und Päpste im 16. und 17. Jahrhundert in Rechnung stellt. Jeder neue Papst, in der Regel aus einem der reichen italienischen Adelsgeschlechter stammend, will das Image seiner Familie und zugleich das der Weltstadt Rom aufpolieren, die von Martin Luther als sündhaftes Babylon bezeichnet worden ist. In der Zeit der Gegenreformation bekommt Rom nicht nur ein völlig neues Gesicht, hier werden auch neue Superlative aufgestellt: Als etwa 1586 auf dem Petersplatz ein 300 Tonnen schwerer und 25 Meter hoher Obelisk aufgestellt wird, braucht man dazu 900 Männer, 150 Pferde und knapp 50 Seilwinden.
Archimedes-Anekdoten sind in aller Munde. Mit seinen präzise justierten Wurfmaschinen soll er die römischen Streitkräfte noch als alter Mann quasi allein in Schach gehalten haben, bis die Stadt Syrakus im Jahr 212 vor Christus schließlich doch erobert wurde. Es heißt, Archimedes habe riesige Brennspiegel benutzt, um die Sonnenstrahlen auf die Schiffe der feindlichen Flotte zu fokussieren und diese in Brand zu setzen.
Eine solche Wunderwaffe besäßen viele Herrscher gerne, unter ihnen der habsburgische Kaiser Rudolf II. Er bestellt große Spiegel in Italien und lässt im August 1610 bei Galilei anfragen, ob dieser nach dem Bau des Teleskops auch das Geheimnis des archimedischen Brennspiegels gelüftet habe.
Das Beispiel illustriert, dass man mit guten Kenntnissen der archimedischen Wissenschaft auch als Mathematiker auf sich aufmerksam machen kann. Galilei greift sich schon als Zweiundzwanzigjähriger zielsicher eine der vielen Archimedes-Anekdoten heraus. Es ist die Geschichte von der goldenen Krone des Königs Hieron II., wie sie der römische Architekt Vitruv überliefert hat.
Archimedes in der Badewanne
Hieron hatte einen Schmied damit beauftragt, als Weihgabe für die Götter einen Kranz aus purem Gold anzufertigen. Als dieser sein Werk vollendet hatte, wurde dem König gemeldet, der Schmied habe einen Teil des Goldes durch Silber ersetzt und sich so unrechtmäßig bereichert. Hieron bat Archimedes, die Sache zu prüfen.
»Während dieser darüber nachdachte, ging er zufällig in eine Badestube, und als er dort in die Badewanne stieg, bemerkte er, dass ebensoviel wie er von seinem Körper in die Wanne eintauchte, an Wasser aus der Wanne herausfloss.« Da kam ihm die geniale Idee, er sprang »voller Freude aus der Badewanne, lief nackend nach Haus und rief mit lauter Stimme, er habe das gefunden, wonach er suche … Heureka! Heureka!«
Vitruv zufolge wog Archimedes die Krone aus, besorgte sich einen Klumpen aus reinem Gold mit exakt demselben Gewicht und einen zweiten aus Silber. Er füllte eine Schüssel bis zum Rand mit Wasser, legte den Goldklumpen hinein und prüfte, wie viel Wasser überschwappte. Dasselbe machte er mit dem Silber und zuletzt mit dem Kranz. Da dieser tatsächlich Silber enthielt, nahm der Kranz ein größeres Volumen ein als das Stück aus purem Gold, aber weniger Raum als das reine Silber. »Und so errechnete er … die Beimischung des Silbers zum Gold und wies sie und die handgreifliche Unterschlagung des Goldarbeiters nach.«
Galilei zweifelt diesen Bericht an. Das von Vitruv angegebene Verfahren sei, »mit Verlaub, sehr grob und von Genauigkeit weit entfernt«. Er selbst habe Archimedes lange studiert und darüber nachgedacht, auf welche Weise dieser mithilfe von Wasser die Mischung zweier Metalle »auf das Genaueste« herausgefunden haben könnte. Schließlich habe er eine Lösung gefunden.
Wenn zwei Metallstücke gleich schwer sind, aber nicht dasselbe Volumen einnehmen, dann verdrängen sie eine unterschiedlich große Wassermenge, wie Vitruv richtig sah. Das ist der Grund dafür, dass sich der Auftrieb, den sie im Wasser erhalten, unterscheidet, anders gesagt: Im Wasser wiegen sie nicht gleich viel.
Galilei hängt die verschiedenen Metallstücke nacheinander am Ende einer Balkenwaage auf und wiegt sie zuerst in der Luft, dann im Wasser. Mit dieser »hydrostatischen Waage« kann er den Unterschied zwischen Gold, Silber und einer Gold-Silber-Legierung zuverlässig bestimmen.
Um sehr kleine Differenzen zu registrieren, schlingt er einen haarfeinen Messingdraht um den Arm der Waage, und zwar so, dass die Drahtwindungen die Strecke in viele gleiche Teile unterteilen. Auf diese Weise lässt sich der Abstand, in dem das jeweilige Gegengewicht hängt, einfach ermitteln. Dazu fährt Galilei mit einem spitzen Stilett über die Drahtwindungen. »Denn so
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