Das Weltgeheimnis (German Edition)
und überzeugt ihn von der Bedeutung genauer Beobachtungen. Nach einiger Zeit überlässt er ihm schließlich die Positionsdaten eines einzelnen Planeten. Kepler soll sich voll und ganz auf die Bahn des Mars konzentrieren, statt gleich das ganze Weltgebäude auf einmal in Angriff zu nehmen.
Trotz der Übernahme dieser Aufgabe bleibt ihr Verhältnis gespannt. Der misstrauische Däne verpflichtet seine Assistenten schriftlich zur Geheimhaltung der Daten, Kepler seinerseits fällt es schwer, sich unterzuordnen. Angesichts der Notlage in Graz wünscht er sich möglichst rasch Sicherheiten, will sich nicht mit mündlichen Zusicherungen zufriedengeben, setzt einen peinlich genauen Arbeitsvertrag auf und gerät darüber so mit Brahe aneinander, dass er schließlich Hals über Kopf abreist und kurz darauf noch einen gepfefferten Brief nach Benatek schickt.
Der AstronomTycho Brahe, der bestbezahlteWissenschaftler seiner Zeit, wie ihn ein Ölgemälde der dänischen Schule, 16. Jahrhundert, zeigt. [11]
Schon wenige Tage später bereut er seinen Mangel an Selbstbeherrschung und bittet Brahe um Verzeihung. »Die Pläne, die Ihr gehegt, mich zu fördern, ersehe ich leicht aus dem, was Ihr meinetwegen unternommen habt … Daher denke ich mit großer Niedergeschlagenheit daran, dass ich trotzdem von Gott und dem Heiligen Geist so sehr meinen Anfällen von Ungestüm und meinem kranken Gemüt überlassen worden bin, dass ich auf so viele und große Wohltaten hin, statt mich zu mäßigen, mit geschlossenen Augen mich drei Wochen lang störrischem Eigensinn gegenüber Eurer ganzen Familie hingab.«
Es gelingt ihm, die Sache wieder einzurenken. Brahe verspricht ihm, sich beim Kaiser für ihn einzusetzen. So reist Kepler in der Hoffnung auf eine baldige Abmachung nach Graz zurück.
Dort überschlagen sich die Ereignisse. Erzherzog Ferdinand ist unnachgiebig und lässt in der Steiermark dieselbe religiöse Strenge walten wie später als Kaiser Ferdinand II. im Dreißigjährigen Krieg. Mit der nächsten Säuberungswelle werden alle Protestanten des Landes verwiesen, die nicht dazu bereit sind, zum katholischen Glauben zu konvertieren. Kepler inklusive.
Er sei Christ, die Augsburger Konfession habe er aus der Belehrung seiner Eltern, in wiederholter Erforschung ihrer Begründung und in täglichen Erprobungen in sich aufgenommen. »An ihr halte ich fest. Heucheln habe ich nicht gelernt. Mit der Religion ist es mir ernst, ich treibe kein Spiel mit ihr.«
Nach sechs Jahren endet seine Zeit in Graz. Aus dem Theologiestudenten ist in dieser Zeit ein leidenschaftlicher Wissenschaftler geworden. Kurz vor der hastigen Abreise nach Prag beobachtet er mit einem selbst gebauten Projektionsapparat noch eine Sonnenfinsternis. In einem Brief, in dem er von seiner Verbannung spricht und davon, dass er den ganzen Hausrat zusammenpacken und sich binnen 45 Tagen außer Landes begeben muss, erzählt er zugleich von dem außergewöhnlichen Himmelsereignis:
»In der Zwischenzeit war ich ganz mit der Berechnung und Beobachtung der Sonnenfinsternis beschäftigt. Während ich auf die Herstellung eines besonderen Instruments und auf die Errichtung eines Gestells unter freiem Himmel bedacht war, hat ein anderer ebenfalls die Gelegenheit wahrgenommen, um eine andere Finsternis zu erforschen: Er hat zwar nicht bei der Sonne, aber in meinem Geldbeutel ein Schwinden verursacht, indem er mir 30 Gulden weggenommen hat. Wahrlich eine teure Finsternis! Aber ich habe aus ihr doch die Ursache ermittelt, warum der Mond bei Neumond in der Ekliptik einen so kleinen Durchmesser aufweist.«
Teil III
ZWISCHEN HIMMEL UND HÖLLE
KURVEN IM KOPF
Wie Kepler seine Planetengesetze findet
Auf der griechischen Insel Antikythera wohnen nur ein paar Dutzend Menschen. Sie liegt seit jeher abseits der üblichen Schifffahrtswege. Vor ihrer Küste sank im ersten Jahrhundert vor Christus ein reich beladenes Schiff. Vielleicht hatte der Meltemi oder ein anderer für die Ägäis typischer Sturm den Frachter vom Kurs abgebracht, das Schiff jedenfalls trieb auf die steile Ostküste zu und ging unter.
Zweitausend Jahre später stießen Taucher vor der Insel auf das Schiffswrack. Aus mehr als vierzig Metern Tiefe holten sie den schweren Arm einer Bronzestatue an Land und machten damit überhaupt erst auf das versunkene Schiff aufmerksam. Im Herbst 1900 schickte die griechische Regierung die Kriegsmarine an Ort und Stelle, um seine Fracht zu bergen: angefressene Marmor- und
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