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Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
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wird. Brahes Erben und einige seiner ehemaligen Mitarbeiter wachen peinlich genau darüber, dass der Emporkömmling den Auftrag im Sinne des Meisters erfüllt. Bis an sein Lebensende lastet der gewaltige Nachlass auf seinen Schultern.
    Neben dieser Fleißarbeit, die schier endlose Kalkulationen erfordert, verfolgt er natürlich eigene Ziele. Unmöglich kann er sich ganz in den Dienst seines Vorgängers stellen, dessen wissenschaftliche Überzeugungen er nicht einmal teilt. Kepler hat sich vorgenommen, die Astronomie wieder mit der Physik verbinden.
    Dazu ist er gezwungen, Kompromisse einzugehen. Brahes Familie muss er ein Mitspracherecht einräumen, was jegliche Veröffentlichungen der Daten seines Vorgängers betrifft. Keplers Hauptwerk, die Neue Astronomie , wird auch deswegen so unübersichtlich. Er behandelt darin nebeneinander das traditionelle geozentrische, das von Kopernikus entwickelte heliozentrische Weltmodell und Brahes gemischte Theorie. Im gesamten ersten Teil seines Buches springt er zwischen den verschiedenen Perspektiven hin und her.
    Immer darauf bedacht, Brahe genügend zu würdigen, stellt er alle drei Hypothesen auf den Prüfstand und kommt zu dem Ergebnis, dass sie »in dem, was sie leisten, genau gleichwertig sind und auf eins hinauskommen«. Sie alle taugen gleichermaßen dazu, die Planetenpositionen vorherzusagen. Egal, ob man von der Erde aus rechnet oder von der Sonne, mathematisch ist ein Wechsel des Bezugsystems jederzeit möglich.
    Allerdings vereinfacht oder verkompliziert sich die Sache je nach Blickwinkel. Was von der Erde aus gesehen verworren erscheint, fügt sich, wenn man die Sonne zum Mittelpunkt des Planetensystems macht, zu einer einsichtigen Ordnung.
    Eine Entscheidung zwischen den Weltmodellen lässt sich letztlich nur mithilfe physikalischer Argumente treffen. Es ist die besondere Rolle der riesigen Sonne, die den Perspektivwechsel rechtfertigt. In Keplers Augen ist die einzig vernünftige Möglichkeit zu erklären, warum die Umlaufgeschwindigkeiten der Planeten umso höher werden, je näher sie der Sonne kommen, dass sie ihren Schwung von ihr erhalten. Die Sonne steht im Zentrum seiner neuen Himmelsphysik. Sie liefert ihm die Gründe, durch die »die kopernikanische Lehre als die wahre, die beiden anderen aber als falsch erwiesen werden«.
    Michael Mästlin versucht noch, seinen ehemaligen Schüler von der fixen Idee einer Vermischung von Physik und Astronomie abzubringen. Sie könne zum »Ruin der ganzen Astronomie« führen. Seit jeher sind physikalische Betrachtungen Sache der Naturphilosophie.
    An dieses universitäre Schubladendenken fühlt sich Kepler aber nicht gebunden. Steckt die Himmelskunde nicht gerade deshalb in einer Krise, weil sich Physik und Astronomie über die Jahrhunderte immer weiter auseinanderentwickelt haben?
    Astronomie in der Krise
    Tatsächlich ist die Astronomie zu einer Disziplin für wenige Spezialisten geworden. Die Mathematik der Kreise ist im Lauf der Zeit so komplex geworden, dass sich einige Forscher genötigt sahen, das klassische Repertoire zu verlassen, um die Rechenprozeduren abzukürzen. Geometrische Hilfsmittel wie der von Claudius Ptolemäus eingeführte »Äquant« stören das ästhetische Empfinden vieler Mathematiker.
    Nicht zuletzt aus diesem Grund begann Nikolaus Kopernikus drei Generationen vor Kepler mit dem Umbau des ganzen Systems. Auch Kopernikus sah im Kosmos ein perfektes Uhrwerk, in dem kein Rädchen überflüssig war. Daher wollte er die durch den ptolemäischen Äquanten infrage gestellte, aber aus seiner Sicht unverzichtbare Kreissymmetrie aufrechterhalten.
    Das gelang ihm durch einen grandiosen Perspektivwechsel. Dem Mathematiker war klar geworden, dass sich die beiden Planeten Merkur und Venus kaum von der Sonne weg bewegen. Sie bleiben immer in deren Nachbarschaft und umkreisen sie. Vermutlich war dies der Ausgangspunkt für sein neues Planetenmodell, das er 1543 in seiner berühmten Schrift De revolutionibus vorstellte.
    Kopernikus stellte das System vom Kopf auf die Füße. Die Erde sollte nicht mehr Zentrum der Welt sein, sondern bekam eine randständige Bahn zugewiesen. Zusammen mit den anderen Planeten kreiste sie um eine neue, geometrisch bestimmte Weltmitte, die sich in unmittelbarer Nähe der Sonne befand. Auf diese Weise entwirrte sich so manche Schleife im Lauf der Planeten. Kopernikus konnte auf mathematische Finessen wie den ungeliebten »Äquanten« verzichten, der Kosmos ähnelte nun wieder einem

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