Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Weltgeheimnis (German Edition)

Das Weltgeheimnis (German Edition)

Titel: Das Weltgeheimnis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas de Padova
Vom Netzwerk:
Art und Weise, wie Kepler dieses Problem löst, zeigt er sein ganzes mathematisches Können. Erst einmal wählt er dazu viele geeignete Planetenkonstellationen aus. Zum Beispiel macht er sich zunutze, dass der Mars nach genau einem Umlauf um die Sonne wieder am selben Punkt ankommt, während sich die Erde nun woanders befindet. Man sieht den Planeten also nach einer jeden solchen Umlaufperiode aus einem anderen Blickwinkel. Kepler sucht sich entsprechende Daten zusammen, um die Planetenbahn daraus letztlich geometrisch zu ermitteln.

    Nimmt man an, dass die Erde still steht,werden die Bahnen der Planeten schleifenförmig und kompliziert. Die ausgedehntenWindungen des Mars etwa hätten dann die »Gestalt einer Fastenbrezel«, schreibt Kepler in seiner »Neuen Astronomie«. [13]
    Die Beobachtungsdaten führen ihn zu wechselnden Annahmen über die Marsbahn. Unzählige Male wiederholt er seine Rechenprozeduren mit verschiedenen Datensätzen und kommt im Laufe der Jahre zu immer genaueren Ergebnissen.
    Sein Vorgehen beschreibt er seinem in dieser Phase wichtigsten Briefpartner David Fabricius, einem ehemaligen Assistenten Brahes, im Juli 1603 so: »Ihr meint, dass ich mir zuerst irgendeine gefällige Hypothese ausdenke und mir selber bei ihrer Ausschmückung gefalle, sie dann aber erst an den Beobachtungen prüfe. Da täuscht Ihr Euch aber sehr! Wahr ist vielmehr, dass ich, wenn eine Hypothese mithilfe von Beobachtungen aufgebaut und begründet ist, hernach ein wundersames Verlangen verspüre zu untersuchen, ob ich darin nicht irgendeinen natürlichen, wohlgefälligen Zusammenhang entdecken kann.«
    Zunächst sieht es so aus, als ergäbe die von ihm geometrisch aus zwei Kreisen zusammengesetzte Marsbahn wiederum einen exakten Kreis. Dieser »exzentrische« Kreis – er wird so genannt, weil die Sonne nun nicht mehr im Mittelpunkt des Kreises steht, sondern abseits davon – versetzt ihn in großes Entzücken. Der Mathematiker bedauert seine weniger erfolgreichen Vordenker: »Wer gibt mir nun eine Tränenquelle, dass ich den kläglichen Fleiß des Philipp Apian beweine.«
    Als wäre der »exzentrische« Kreis bereits des Rätsels Lösung! Kepler hat noch lange mit dem Mars zu kämpfen, testet seine Berechnungen mit neuen Daten, verheddert sich, jubelt trotzdem, macht eigene astronomische Beobachtungen – schließlich zerplatzt sein Traum wie eine Seifenblase. Die Marsbahn ist nicht kreisförmig. Eine Differenz von nur acht Bogenminuten macht die wunderbare Symmetrie zunichte.
    Acht Bogenminuten: Von der Erde aus gesehen, entspricht dieser Winkel etwa einem Viertel des Vollmonddurchmessers. Jeder andere Forscher hätte eine solche Abweichung wohl einfach als unvermeidlichen Fehler abgetan. Kepler dagegen nimmt die geringfügige Differenz von der Kreisbahn zum Anlass, noch einmal sorgfältig zu überprüfen, wie zuverlässig Tycho Brahes Beobachtungen tatsächlich sind. Sein Empirismus an dieser Stelle ist bewundernswert.
    Über ein Jahr lang beschäftigt er sich intensiv mit der Ausbreitung des Lichts und der Funktion des menschlichen Auges, um etwaigen Sinnestäuschungen auf die Spur zu kommen. Er möchte unter anderem herausfinden, in welchem Maß das von den Himmelskörpern ausgehende Licht beim Durchqueren der Erdatmosphäre vom ursprünglichen Kurs abgelenkt wird. Je tiefer die Gestirne am Horizont stehen, umso länger ist der Weg des Lichts durch die Lufthülle der Erde und umso größer die Ablenkung. Durch diese Lichtbrechung werden alle Gestirne leicht angehoben. So ist zum Beispiel die Sonne, wenn wir sie als Feuerball direkt am Horizont sehen, in Wirklichkeit schon unter der Horizontlinie verschwunden.
    Kepler korrigiert alle Messwerte entsprechend und wählt besonders geeignete Datensätze für seine weiteren Berechnungen aus. Als er sich auf diese Weise vergewissert hat, dass die Unsicherheiten in Brahes Beobachtungsdaten nicht größer als etwa eine Bogenminute sind, sieht er sich außerstande, die krumme Marsbahn mit irgendwelchen Messfehlern zu entschuldigen.
    Die Planetenbahn ist kein Kreis. Man müsse ihm sonst »nichtswürdige, gröbliche Fälschung« unterschieben. »Ich rede mit Euch, Ihr sachkundigen Astronomen, die Ihr wisst, dass sophistische Ausflüchte, die in anderen Wissenschaften so häufig sind, in der Astronomie niemand offen stehen.«
    Ohne dass seine Zuversicht gebrochen wäre, fängt er wieder von vorn an. »Für uns, denen die göttliche Güte in Tycho Brahe einen so sorgsamen Beobachter

Weitere Kostenlose Bücher