Das Werben des Lord MacKenzie
Isabellas Hände und küsste sie auf die Wange. »Gute Nacht, liebe Tante. Du bist meine Lieblingstante, weißt du das?«
»Vor knapp einer Woche habe ich dich das Gleiche zu Beth sagen hören.«
»Sie auch.« Daniel lachte, während er die Stufen hinaufsprang und in der Kammer verschwand, die am Ende der Treppe lag. Er warf die Tür so heftig hinter sich zu, dass die Wände wackelten.
Isabella stieß einen Seufzer aus. »Er wird von Jahr zu Jahr wilder.«
Mac fischte den Stumpen aus der wertvollen antiken Schale und legte die beiden Zigarren auf den Rand des Tisches, wobei er darauf achtete, dass sie das Holz nicht verbrannten. »Du tust dem Jungen gut.«
»Ich bin zu nachsichtig mit ihm. Er braucht eine feste Hand.«
»Er braucht aber auch eine sanfte«, fügte Mac hinzu.
»Ich erinnere mich an den Morgen nach unserer Hochzeit. Daniel kam in unser Haus in der Mount Street gestürmt und hat mich für eines deiner Aktmodelle gehalten.«
»Aye, und ich erinnere mich, dass ich ihm für seine Dreistigkeit die Ohren lang gezogen habe.«
»Das arme Kerlchen. Er wusste es doch nicht besser.« Isabella wandte sich von ihm ab und beobachtete ihre Gäste, die unten redeten und lachten. Sie fragte sich, warum sie nicht wieder zu ihnen hinuntergehen wollte. »Er war gerade mal neun Jahre alt und auf der Suche nach einer Zuflucht, weil er wieder mal von der Schule nach Hause geschickt worden war und Angst hatte, es Cam zu sagen.«
»Spar dir dein Mitleid. Dieses ›arme Kerlchen‹ hat mir eine Maus in meine Jacke gesteckt – als Retourkutsche dafür, dass ich ihm die Leviten gelesen habe.«
»Ich befürchte, dass keiner von euch je richtig erwachsen geworden ist.«
»Oh, aber das stimmt nicht.«
Macs Hände legten sich um Isabellas Taille. Seine Wärme bedeckte ihren Rücken, ihre Tournüre presste sich unter seinem Ansturm zusammen. Seine Lippen brannten sich in ihren Nacken.
6
Die höchst prachtvolle Soiree am vergangenen Sonnabend, deren Gastgeberin die Lady of Mount Street war, wies einen kleinen Schönheitsfehler auf, weil der Lord durch Abwesenheit glänzte. Die Lady versicherte ihren Gästen, Seine Lordschaft würde sich lediglich ein wenig verspäten, doch in den frühen Morgenstunden wurde offenkundig, dass er nach Rom abgereist war. Ob er auf dem Weg zur Soiree vielleicht die falsche Abzweigung genommen hat?
– Februar, 1876
Isabella schloss die Augen und umklammerte das Treppengeländer, bis ihre Finger schmerzten. »Ich sollte eigentlich wieder hinuntergehen.«
Macs Zähne strichen über ihre Haut. »Sie amüsieren sich auch allein. Deine Aufgabe ist beendet.«
Er hatte Recht. Die Menge hatte ein neues Objekt der Begierde für sich entdeckt – die Sopranistin. Isabellas Mission war gewesen, die allgemeine Aufmerksamkeit auf das Talent der Sängerin zu lenken, und das hatte sie getan. Sie war die Intendantin, die sich jetzt von der Bühne zurückziehen konnte. Es war eine exzellente Entschuldigung, noch zu verweilen.
Als Macs Hände über den Satin ihres Mieders glitten, kehrten Isabellas Gedanken durch die Jahre zu dem Abend zurück, an dem sie und Mac im Haus an der Mount Street ihre erste große Soiree gegeben hatten. Sie hatten wie jetzt auf dem Treppenabsatz gestanden, während ihre Gäste unten umhergeschlendert und neugierig darauf gewesen waren zu sehen, welche Wirkung Macs Heirat auf sein Junggesellendomizil gehabt hatte. Isabella hatte sich wild und stark und unbekümmert gefühlt. All diese Leute, all diese angesehenen Mitglieder der guten Gesellschaft, hatten keine Ahnung, dass sie über ihnen im Schatten stand, und sich von ihrem Ehemann liebevoll in den Nacken beißen ließ …
»Du trägst noch immer gelbe Rosen – mir zuliebe«, sagte Mac.
»Nicht zwangsläufig dir zuliebe«, erwiderte sie schwach. »Rothaarige können kein Rosa tragen.«
»Du trägst, was dir gefällt und ignorierst deine Kritiker.« Mac knabberte an ihrem Ohrläppchen, ihr Ohrring streifte seinen Mund.
Es wäre jetzt so leicht, Mac nachzugeben. So leicht, ihm zu gestatten, sie zu berühren, bis sie Schmerz und Kummer vergaß, Verzweiflung und Wut und ihre brennende Einsamkeit.
Sie hatte es schon so oft getan. Sie hatte ihn angelächelt und ihn jedes Mal wieder willkommen geheißen, wenn er von einer seiner Abwesenheiten zurückgekommen war, und alles wieder eitel Sonnenschein zwischen ihnen gewesen war. Mehr als Sonnenschein – es war ein Glück gewesen, für das es keine Worte gegeben hatte, eine
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