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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Sonne putzte.
    Schließlich hatte Claude alle seine Kartons beisammen. Er warf in ein paar Tagen eine Gesamtskizze hin, und das große Werk wurde begonnen. Aber während des ganzen Sommers wurde in der Rue Tourlaque zwischen ihm und seinem ungeheuren Gemälde eine erste Schlacht ausgetragen; denn er wollte durchaus selber seine Komposition mit Hilfe des Quadrillierens übertragen, und er kam nicht damit zu Rande, weil er sich bei der geringsten Abweichung in diesem mathematischen Aufriß, der ihm ungewohnt war, unausgesetzt in Irrtümern verhedderte. Das brachte ihn außer sich. Er ging darüber hinweg, auf die Gefahr hin, später Verbesserungen vornehmen zu müssen, er übermalte die Leinwand ungestüm, von einem solchen Fieber erfaßt, daß er ganze Tage auf seiner Leiter zubrachte, dabei riesige Pinsel handhabte und eine Muskelkraft verausgabte, mit der er hätte Berge versetzen können. Am Abend schwankte er wie ein Betrunkener, er fiel beim letzten Happen in Schlaf, wie vom Blitz getroffen; und seine Frau mußte ihn zu Bett bringen wie ein Kind. Aus diesem heldenhaften Arbeiten ging eine meisterhafte Skizze hervor, eine jener Skizzen, auf denen das Genie flammt im noch nicht richtig entwirrten Chaos der Farbtöne. Bongrand, der sie sich ansehen kam, schloß den Maler in seine großen Arme, küßte ihn, daß ihm schier die Luft wegblieb, und konnte vor Tränen nichts mehr sehen. Sandoz, der ganz begeistert war, gab ein Abendessen; die anderen – Jory, Mahoudeau, Gagnière – verbreiteten von neuem die Kunde von einem Meisterwerk; was Fagerolles betraf, so stand er eine Weile reglos da, dann brach er in Glückwünsche aus, weil er das einfach zu schön fand.
    Und als habe dieser Spott des windigen Kerls Claude tatsächlich Unglück gebracht, verdarb er seine Skizze dann nur noch. Das war seine ewige Geschichte, er verausgabte sich auf einen Schlag in einem großartigen Ansatz; dann schaffte er es nicht mehr, den Rest zustande zu bringen, er verstand nicht, rechtzeitig ein Ende zu finden. Sein Unvermögen begann wieder, er lebte zwei Jahre von diesem Gemälde, mit seinem Herzen war er nur bei ihm, bald fühlte er sich in irren Freuden im siebenten Himmel, bald wieder auf die Erde heruntergefallen, so elend, so von Zweifeln zerrissen, daß die Sterbenskranken, die in den Spitalbetten röchelten, glücklicher waren als er. Zweimal schon hatte er bis zum Salon nicht fertig werden können, denn immer traten im letzten Augenblick, wenn er hoffte, in ein paar Sitzungen fertig zu werden, Lücken zutage, und er spürte, wie die Komposition unter seinen Fingern krachte und einstürzte. Als der dritte Salon heranrückte, machte er eine furchtbare Krise durch, vierzehn Tage ging er nicht in sein Atelier in der Rue Tourlaque; und wenn er es doch tat, so betrat er es wie ein Haus, das der Tod leer geräumt hatte: er drehte das große Gemälde zur Wand um, die Leiter rollte er in eine Ecke, am liebsten hätte er alles kurz und klein geschlagen, alles verbrannt, wenn seine versagenden Hände dazu noch die Kraft gefunden hätten. Aber nichts war mehr vorhanden, ein Zorneswind hatte den Fußboden leer gefegt, er sprach davon, sich auf kleine Sachen zu verlegen, da er zu großen Arbeiten nicht imstande sei.
    Wider seinen Willen brachte ihn sein erster Entwurf zu dem kleinen Bild wieder dorthin zurück, vor die Cité. Warum sollte er nicht lediglich auf einer durchschnittlich großen Leinwand eine Ansicht davon machen? Allein eine Art Scham, vermischt mit einer seltsamen Eifersucht, hinderte ihn, sich wieder unter die Pont des SaintsPères zu setzen: es war ihm, als sei diese Stelle nun geheiligt, als dürfe er nicht die Jungfräulichkeit des großen Werkes antasten, auch im Tode nicht. Und er ließ sich am Ende der Böschung stromauf vom Hafen SaintNicolas nieder. Dieses Mal wenigstens arbeitete er unmittelbar nach der Natur, er freute sich, daß er nicht zu mogeln brauchte, wie das bei übermäßig großen Gemälden unvermeidlich war. Dem kleinen Bild, das sehr sorgfältig ausgeführt und weiter gediehen war als üblich, widerfuhr jedoch das Schicksal der anderen vor der Jury, die entrüstet war über diese Malerei mit dem trunkenen Besen, wie es in der Bemerkung hieß, die damals in den Ateliers die Runde machte. Dieser Schlag ins Gesicht war um so spürbarer, als man davon sprach, er habe Zugeständnisse gemacht, sei der Ecole des BeauxArts entgegengekommen, um angenommen zu werden; und in tiefer Verbitterung zerriß der Maler,

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