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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Aber ich werde sie immerhin erst mal so machen. Verstehst du? Das macht mir Spaß.«
    Mit einer dumpfen Hartnäckigkeit kam er nie wieder darauf zu sprechen, begnügte sich, den Kopf einzuziehen und verlegen zu lächeln, wenn jemand eine Anspielung machte, wie erstaunt alle sein würden beim Anblick dieser aus dem Schaum der Seine geborenen sieghaften Venus inmitten der Omnibusse auf den Quais und der Schauerleute vom Hafen SaintNicolas.
    Es war Frühling; Claude machte sich wieder an sein großes Bild, als ein Entschluß, der an einem Tage kluger Vorsicht gefaßt wurde, das Leben der Familie änderte. Mitunter machte sich Christine Sorgen über all dieses so rasch ausgegebene Geld, Summen, die unaufhörlich das Kapital angriffen. Sie rechneten beide nicht mehr, seit die Quelle unversiegbar zu sein schien. Nach vier Jahren waren sie dann eines Morgens erschrocken, als sie nach erbetener Abrechnung erfuhren, daß von den zwanzigtausend Francs kaum noch dreitausend übrig waren. Sofort stürzten sie sich in eine äußerste Sparsamkeit, knauserten am Brot, machten Pläne, wie sie sogar die notwendigen Bedürfnisse beschneiden könnten; und so gaben sie denn im ersten Aufwallen ihrer Opferbereitschaft die Wohnung in der Rue de Douai auf. Wozu zwei Mieten zahlen? In dem von den Färbereiwassern noch bespritzten ehemaligen Trockenboden in der Rue Tourlaque war genug Platz, daß sich das Dasein von drei Personen dort einrichten ließ. Aber der Einzug war deshalb nicht weniger beschwerlich, denn diese Halle von fünfzehn Meter Länge und sechs Meter Breite bot ihnen nur einen Raum, einen Schuppen für Zigeuner, die alles zusammen verrichten. Da der Besitzer sich unwillig zeigte, mußte der Maler selber an einem Ende eine Bretterwand ziehen, hinter der Küche und Schlafstube eingerichtet wurden. Sie fanden das bezaubernd, trotz der Risse im Dachwerk, durch die der Wind hereinwehte: an Tagen mit schweren Unwettern waren sie gezwungen, Schüsseln unter die zu breiten Spalte zu stellen. Eine unheimliche Leere herrschte im Atelier, ihre paar Möbel hätten längs der nackten Wände tanzen können. Und sie waren sehr stolz, so bequem untergebracht zu sein, sie sagten zu den Freunden, daß der kleine Jacques nun wenigstens Platz habe, um ein bißchen zu rennen: Dieser arme Jacques wuchs trotz seiner reichlich neun Jahre nicht gerade schnell; allein sein Kopf wurde immer dicker, man konnte ihn keine acht Tage mehr hintereinander zur Schule schicken, aus der er verstört zurückkam, ganz krank, weil er hatte lernen wollen, so daß die Eltern ihn meistens auf allen vieren um sie herum und in alle Ecken kriechen ließen.
    Christine, die seit langem nichts mehr mit Claudes täglicher Arbeit zu tun gehabt hatte, lebte von neuem mit ihm zusammen in jeder Stunde der langen Sitzungen. Sie half ihm beim Abschaben und Abbimsen der alten Leinwand, sie gab ihm Ratschläge, wie sie haltbarer an der Wand zu befestigen sei. Aber sie mußten feststellen, daß ein großes Unheil geschehen war: die fahrbare Leiter war in der durch das Dach hereindringenden Nässe aus den Fugen geraten; und damit er nicht mit ihr einbrach, mußte er ihr durch eine eichene Querleiste Halt geben, wobei Christine ihm die Nägel einen nach dem anderen zureichte. Ein zweites Mal war alles fertig. Sie sah zu, wie er mit Hilfe des Quadrillierens die neue Skizze übertrug, stand hinter ihm, bis sie vor Entkräftung ohnmächtig wurde, und ließ sich dann auf den Fußboden gleiten, wo sie hockenblieb und immer noch zuschaute.
    Ach, wie gern hätte sie ihn dieser Malerei wieder entrissen, die ihn ihr entrissen hatte! Deshalb machte sie sich zu seiner Magd, war glücklich, sich zu Handlangerarbeiten zu erniedrigen. Seit sie von neuem an seiner Arbeit teilhatte, wobei sie alle drei – er, sie und dieses Gemälde – beisammen waren, belebte sie wieder eine Hoffnung. Wenn er ihr entglitten war, als sie allein in der Rue de Douai vor sich hin weinte, und wenn er sich in der Rue Tourlaque verspätete, den Verlockungen erlegen und erschöpft, als sei er bei einer Geliebten gewesen, so würde sie ihn nun vielleicht zurückerobern, da sie jetzt auch da war mit ihrer Leidenschaft. Ach, mit was für eifersüchtigem Haß verwünschte sie diese Malerei! Das war nicht mehr ihr Aufbegehren von früher, das Aufbegehren einer Aquarelle malenden Kleinbürgerin gegen diese freie, herrliche und brutale Kunst. Nein, sie hatte sie nach und nach begriffen, war ihr zunächst durch ihre zärtliche

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