Das Werk - 14
schließlich:
»Wir werden schon noch reich werden, laß nur!«
Und das Schweigen setzte wieder ein, sie versuchte nicht einmal mehr, es zu brechen, und betrachtete die neun Sous, die nebeneinandergereiht auf dem Tisch lagen. Es schlug Mitternacht, sie schauerte kurz zusammen, ganz krank vor Warten und Kälte.
»Wollen wir nicht schlafen gehen?« murmelte sie. »Ich kann nicht mehr.«
Er war dermaßen auf seine Arbeit versessen, daß er nichts hörte.
»Sag mal! Der Ofen ist ausgegangen, wir werden uns noch was holen … Gehen wir doch schlafen!«
Diese flehende Stimme durchdrang ihn, ließ ihn in einer jähen Verzweiflung zusammenfahren.
»Ach, geh schlafen, wenn du willst! – Du siehst doch, daß ich noch was fertigmachen will.«
Einen Augenblick blieb sie noch, war ganz erschüttert angesichts dieses Zorns, und ihr Gesicht zuckte vor Schmerz. Da sie fühlte, daß sie lästig war, da sie begriff, daß allein schon die Anwesenheit seiner müßig dasitzenden Frau ihn außer sich brachte, stand sie vom Tisch auf und legte sich ins Bett, ließ aber die Tür weit auf.
Eine halbe Stunde, drei Viertelstunden verflossen; kein Geräusch, nicht einmal ein Atemhauch war aus der Stube zu hören, aber sie schlief nicht, lag ausgestreckt auf dem Rücken, starrte mit offenen Augen ins Dunkel, und sie wagte schüchtern einen letzten Ruf aus dem düsteren Alkoven.
»Lieber, ich warte auf dich … Ach, bitte, Lieber, so komm doch schlafen.«
Ein Fluch war die einzige Antwort.
Nichts regte sich mehr, sie war vielleicht eingeschlummert.
Im Atelier nahm die Eiseskälte zu, die verkohlte Lampe brannte mit roter Flamme, während er, über seine Zeichnung gebeugt, nicht zu merken schien, wie die Minuten langsam verrannen.
Um zwei Uhr jedoch stand Claude auf, wütend darüber, daß die Lampe erlosch, weil das Öl alle war. Er hatte nur noch Zeit, sie ins Zimmer zu tragen, damit er sich nicht im Finstern ausziehen mußte. Aber sein Mißmut wurde noch größer, als er Christine erblickte, die mit offenen Augen auf dem Rücken lag.
»Wie, du schläfst nicht?«
»Nein, ich bin nicht müde.«
»Ach, ich weiß schon, das soll ein Vorwurf sein … Ich habe dir zwanzigmal gesagt, wie sehr es mich ärgert, wenn du auf mich wartest.«
Und da die Lampe nun ganz ausgegangen war, streckte er sich neben Christine im Finstern aus. Sie rührte sich immer noch nicht, er gähnte zweimal, ganz zermalmt von Müdigkeit. Beide blieben wach, aber es fiel ihnen nichts ein, sie sagten sich nichts. Er war kalt geworden und machte mit seinen klammen Beinen die Bettücher eisig. Und als endlich der Schlaf ihn packte, fuhr er hoch und sagte nach wirrem Sinnen:
»Erstaunlich ist, daß der Bauch dabei nicht in die Brüche ging, oh, ein wunderhübscher Bauch!«
»Wer denn?« fragte Christine entsetzt.
»Na, Mahoudeaus Prachtweib.«
Sie zuckte nervös, sie drehte sich um, wühlte den Kopf ins Kissen; und er war verdutzt, als er hörte, daß sie in Tränen ausbrach.
»Was? Du weinst!«
Sie bekam keine Luft, sie schluchzte so sehr, daß die Matratze davon erschüttert wurde.
»Na, laß doch, was hast du denn? Ich habe doch gar nichts gesagt … Mein Liebling, laß doch!« Je mehr er sprach, desto mehr ahnte er jetzt den Grund dieses großen Kummers. Gewiß, an so einem Tag hätte er mit ihr zusammen ins Bett gehen müssen, aber er war ganz unschuldig, er hatte bloß nicht an diese Geschichten gedacht. Sie kannte ihn doch, er wurde ein richtiges Vieh, wenn er bei der Arbeit war. »Laß doch, mein Liebling, wir leben ja nicht erst seit gestern zusammen … Ja, du hattest dir das in deinem kleinen Kopf so zurechtgelegt. Du wolltest Braut sein, was? – Na, laß doch, weine nicht mehr, du weißt ja, daß ich kein schlechter Kerl bin.«
Er nahm sie, sie gab sich hin. Aber sie mochten einander noch so sehr umarmen, die Leidenschaft war tot. Sie begriffen es, als sie einander losließen und als sie wieder ausgestreckt nebeneinander lagen, fremd hinfort, mit diesem Gefühl, als sei ein Hindernis zwischen ihnen, ein anderer Leib, dessen Kälte sie bereits an gewissen Tagen gestreift hatte, gleich am glühenden Anfang ihres Zusammenseins. Nun würden sie niemals mehr einander durchdringen. Es war da etwas, was sich nicht wiedergutmachen ließ, ein Riß, eine Leere war entstanden. Die Gattin tat der Geliebten Abbruch, diese Formalität der Eheschließung schien die Liebe getötet zu haben.
Kapitel IX
Claude, der sein großes Bild in dem kleinen Atelier
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