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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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weinend vor rasender Wut, das Bild, als es ihm zurückgeschickt wurde, in kleine Fetzen und verbrannte sie in seinem Ofen. Dieses Bild mit einem Messerstich zu töten war nicht genug, es mußte ganz vernichtet werden.
    Ein weiteres Jahr verstrich für Claude mit nicht recht faßbaren Beschäftigungen. Er arbeitete aus Gewohnheit, machte nichts fertig, sagte selber mit einem schmerzlichen Lachen, er habe sich verrannt und suche wieder sich selbst. Im Grunde ließ ihm das zähe Wissen um sein Genie eine unzerstörbare Hoffnung, sogar während der längsten Anfälle von Niedergeschlagenheit. Er litt wie einer, der dazu verdammt ist, ewig einen Felsblock zu wälzen, der zurückrollt und ihn zermalmt; aber die Zukunft blieb ihm, die Gewißheit, den Felsblock eines Tages mit seinen beiden Fäusten anzuheben und ihn in die Sterne zu schleudern. Man sah schließlich seine grünen Augen in Leidenschaft entbrennen, man erfuhr, daß er sich von neuem in der Rue Tourlaque klösterlich absperrte. Er, der einst über das augenblickliche Werk hinaus durch den größeren Traum vom künftigen Werk mitgerissen worden war, stieß mit der Stirn nun immer wieder auf dieses Sujet, die Cité. Das war die fixe Idee, die Schranke, die sein Leben abschloß. Und bald sprach er wieder davon in einem neuen Aufflammen der Begeisterung, schrie mit der Fröhlichkeit eines Kindes, daß er jetzt den Bogen raus habe und des Triumphes sicher sei.
    Eines Morgens ließ Claude, der bis dahin die Tür des Ateliers für niemand geöffnet hatte, Sandoz bereitwillig herein. Diesem fiel eine Skizze in die Hand, die voller Schwung, ohne Modell angefertigt und obendrein wunderbar in der Farbe war. Übrigens blieb das Sujet unverändert: der Hafen SaintNicolas links, die Schwimmschule rechts, die Seine und die Cité im Hintergrund. Allerdings stutzte er, als er an der Stelle des von einem Flußschiffer gesteuerten Bootes ein anderes Boot gewahrte, ein sehr großes Boot, das die Mitte der Komposition einnahm und in dem sich drei Frauen befanden: eine im Badeanzug, die ruderte; eine andere, die auf dem Rand saß, die Beine ins Wasser hängen ließ, und da sie eine halb zerrissene Bluse anhatte, war ihre Schulter zu sehen; die dritte stand kerzengerade splitternackt am Bug und war von einer so grellen Nacktheit, daß sie wie eine Sonne erstrahlte.
    »Nanu? Was für ein Einfall!« murmelte Sandoz. »Was machen denn diese Frauen da?«
    »Die baden doch«, antwortete Claude ruhig. »Du siehst doch, daß sie aus dem kalten Wasser kommen, das gibt mir einen Anlaß zum Akt, eine Entdeckung, was? – Stößt du dich etwa daran?«
    Sein alter Freund, der ihn kannte, zitterte davor, ihn in seine Zweifel zurückzuwerfen.
    »Ich, o nein! – Bloß ich habe Angst, daß das Publikum das auch dieses Mal wieder nicht versteht. Das ist nicht gerade sehr wahrscheinlich, diese nackte Frau mitten in Paris.«
    Claude in seiner Naivität war erstaunt:
    »Ach, glaubst du? – Na schön, da ist dem Publikum eben nicht zu helfen! Was macht das denn schon aus, wenn das Prachtweib nur gut gemalt ist! Ich brauche das, siehst du, um mich anzufeuern.«
    An den folgenden Tagen kam Sandoz behutsam auf diese seltsame Komposition zurück und trat, aus einem Bedürfnis seiner Natur heraus, für die beleidigte Logik ein. Wie könne denn ein moderner Maler, der sich etwas darauf zugute halte, daß er nur die Wirklichkeit male, ein Werk dadurch verderben, daß er solche Phantasiegebilde hineinbringe? Es war so leicht, andere Sujets zu nehmen, bei denen sich die Notwendigkeit zur Aktmalerei aufdrängte!
    Aber Claude setzte sich das in den Kopf, gab schlechte und heftige Erklärungen, denn er wollte den wahren Grund nicht eingestehen, einen seiner Einfälle, der so wenig einleuchtend war, daß er ihn nicht genau hätte erläutern können: das Gequältwerden von einem geheimen Symbolismus, diesem alten Wiederaufleben der Romantik, die ihn in dieser Nacktheit das eigentliche Fleisch von Paris verkörpern ließ, die nackte und leidenschaftliche Stadt, die in Weibesschönheit erglänzte. Und er legte noch seine eigene Leidenschaft hinein, seine Liebe zu schönen Bäuchen, Schenkeln und fruchtbaren Busen, wie er sie brennend gern mit beiden Händen schaffen wollte, für das ständige Neugebären seiner Kunst.
    Angesichts der eindringlichen Beweisführung seines Freundes tat er so, als sei er wankend geworden.
    »Na ja, ich werde sehen, ich werde meinem Prachtweib später was anziehen, da es dich ja stört …

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