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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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lassen. Die Erkenntnis, daß in der Arbeiterklasse die umgestaltende und zukunftsweisende Kraft vorhanden war, ergab sich gleichsam als logische Folge seiner langen Enquête, aber sie war eine Erkenntnis, die für ihn nicht die Realität eines persönlichen Erlebnisses, sondern mehr nur die einer rationalen Einsicht hatte. Zwischen dem Handeln der Bergarbeiter vom Voreux und Zolas eigenem Tun als Schriftsteller bestand kein ihm sichtbarer unmittelbarer Zusammenhang. Dennoch war er überzeugt, daß das bisher Geleistete, die schonungslose Kritik an dem bestehenden System nicht mehr ausreichte. Die Zeichen der Zeit standen auf Sturm. Tagtäglich drohte die Republik eine wohlfeile Beute der Revanchisten vom Schlage eines Boulanger zu werden. Antisemitismus und Chauvinismus griffen um sich. Die Philosophie verkündete die Bankrotterklärung des Positivismus und bot Irrationalismus und Agnostizismus verschiedenster Spielart als Allheilmittel an. Die Kirche allein schien den verstörten Gemütern ein gesichertes Asyl zu gewähren. Paris beschloß den Sühnebau von SacreCœur, aus ganz Frankreich rollten die Pilgerzüge nach dem Wallfahrtsort Lourdes. Eine Welle des Mystizismus überflutete das Land. Und Kunst und Literatur folgten diesem allgemeinen Zug der Zeit. Auch sie waren im »Aufbruch in die Illusion«. Nicht nur die Impressionisten durchlebten seit 1883 eine tiefgehende Krise. Auch den Bildern der Dichtung wird ebenso wie den Strukturelementen der Malerei die Last symbolischer Aussage aufgebürdet. Während Verlaines späte Verse die innere Beglückung reumütiger Rückkehr zum Glauben der Kindheit verkünden, verschlüsseln Mallarmés dunkle Sprachmetaphern die Welt zu einem Kosmos vieldeutiger Symbole. Wo war in dieser Nacht geistiger Verdunklung und hoffnungsloser Verzweiflung der Ausweg zur Wahrheit?
    Diese bange Frage, die die Richtung von Zolas späterem Schaffen, das unablässige Suchen nach einer Lösung in den drei StädteRomanen und die Verkündigung eines neuen Glaubens in den »Vier Evangelien« bestimmen wird, diese bange Frage steht schon hinter der Tragödie Claudes.
    Claudes Versuch, mit seinem letzten Bild von der bloßen Gegenständlichkeit visueller Einzeleindrücke wegzukommen und zur synthetischen Wiedergabe einer in sich geschlossenen und vollendeten Welt in ihren wesentlichen Aspekten vorzudringen, scheitert an der Unmöglichkeit, ebendieses Wesen mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu fassen und auf die Leinwand zu bannen.
    Claudes erste Auffassung vom Herzen von Paris, von dieser lebenerfüllten Cité, ist zunächst rein optisch. Aber als er nach nochmaliger Überprüfung des Motivs am nächsten Abend Christine seinen Plan für das neue große Bild erläutert, erhalten die visuell erfaßten Ausschnitte der SeineUfer bereits eine inhaltliche Interpretation. Der Hafen von SaintNicolas ist zum »Paris der Arbeiter« geworden und die auf der gegenüberliegenden Seite befindliche Badeanstalt zum »Paris des Vergnügens«. Doch wie diese beiden einander unversöhnlich gegenüberstehenden Welten auf dem Bild kompositionell verbunden werden sollen, darüber ist sich Claude noch nicht im klaren. Im ersten Entwurf begnügt er sich mit einer rein funktionellen Ersatzlösung. Der Kahn mit den Schiffern gibt für die Gliederung des Raumes zwar den notwendigen Mittelpunkt, für die Formung der inhaltlichen Aussage aber bleibt er bedeutungslos. Denn das Zentralmotiv des Vordergrundes soll ja das Wesen der im Hintergrund erscheinenden Silhouette der Cité sichtbar machen. Die Lösung dieser Aufgabe wird für ihn allmählich zur fixen Idee, bis er schließlich einen neuen Lösungsversuch skizziert und das Leben dieser Stadt mit der symbolischen Umsetzung in eine nackte Frauengestalt einzufangen trachtet. Ihr blühender Schoß, das Ursymbol der Mütterlichkeit, soll nicht nur das Leben der Stadt, sondern das Leben schlechthin in all seiner Vielfalt, seiner ewig zeugenden Kraft bedeuten.
    Dieses Wenden der zentralen Frauengestalt in Claudes letztem Bild in ein naturalistisches Sexualsymbol, diese Transformation des ursprünglich abbildenden, realitätsbezüglichen Bildentwurfs in eine »mythische« Gestalt ist Zolas eigene Ersatzlösung für all die Fragen, die ihm die Widersprüche der Wirklichkeit aufgaben und die er mit seinen gesellschaftlichen Einsichten nicht zu beantworten vermochte.
    Das Mißlingen von Claudes Bild ist zugleich aber auch Zolas kritische Selbsteinschätzung der angebotenen

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