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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Flamme ihrer Strahlen besuchte. Aber er stutzte, und er setzte sich mit nackten Beinen auf. Warum zum Teufel lag er denn auf dem Diwan? Und er ließ seine vom Schlaf noch trüben Blicke umherschweifen, da gewahrte er ein vom Wandschirm halb verborgenes Bündel Röcke. Ach ja, dieses Mädchen, er entsann sich! Er lauschte, er hörte lange, regelmäßige Atemzüge, wie von einem Kind, das sich wohl fühlt. Gut! Sie schlief also immer noch, und zwar so ruhig, daß es schade gewesen wäre, sie zu wecken. Er war ganz benommen, er kratzte sich die Beine, verdrossen über dieses Abenteuer, in das er hineingeraten war und das ihn um seinen Arbeitsvormittag zu bringen drohte. Er war ungehalten über sein zartes Gemüt; das beste war, sie wachzurütteln, damit sie sofort abhaute. Indessen streifte er leise eine Hose und Pantoffeln über und ging auf Zehenspitzen.
    Die Kuckucksuhr schlug neun, und Claude machte eine besorgte Handbewegung. Nichts hatte sich mehr gerührt, das leise Atmen war weiter zu vernehmen. Da dachte er, das beste sei, sich wieder mit seinem großen Gemälde zu befassen: er würde später frühstücken, wenn er sich rühren konnte. Aber er konnte sich nicht dazu entschließen. Er, der ständig in einer gräßlichen Unordnung lebte, fühlte sich belästigt durch diese auf den Fußboden gerutschten Röcke. Wasser war herausgelaufen, die Kleidungsstücke waren noch pitschnaß. Er unterdrückte sein Schimpfen und hob sie schließlich eines nach dem anderen auf und breitete sie auf den Stühlen im prallen Sonnenschein aus. War denn das die Möglichkeit, alles so in heillosem Durcheinander hinzuwerfen!
    Niemals würde das trocken werden, niemals würde sie wegkommen! Ungeschickt drehte er diesen Plunder hin und her, verhedderte sich im schwarzwollenen Mieder, suchte, auf allen vieren herumkriechend, die Strümpfe, die hinter ein altes Gemälde gefallen waren. Es waren aschgraue lange und feine Strümpfe aus Schottengarn, die er eingehend musterte, bevor er sie aufhängte. Der Kleidersaum hatte auch sie naß gemacht; und er dehnte sie, er zog sie zwischen seinen heißen Händen durch, um sie dann schleunigst wieder hinzuwerfen.
    Seit Claude auf war, gelüstete es ihn, den Wandschirm auseinanderzuschieben und dahinter zu sehen. Diese Neugier, die er dumm fand, machte seine Laune noch schlechter. Schließlich ergriff er mit seinem üblichen Schulterzucken seine Pinsel, da wurden inmitten eines lauten Wäscheraschelns Worte gestammelt; und das sanfte Atmen setzte wieder ein, und diesmal gab er seinem Verlangen nach, er ließ den Pinsel los und steckte den Kopf durch den Wandschirm. Aber bei dem Anblick, der sich ihm bot, verharrte er reglos, ernst, verzückt, und er murmelte:
    »Donnerwetter! – Donnerwetter!«
    Das junge Mädchen hatte in der Treibhauswärme, die vom Oberlicht herabsank, das Bettuch zurückgeworfen; und völlig entkräftet von der übermäßigen Anstrengung der schlaflosen Nächte, schlief sie, in Licht gebadet, so arglos, daß kein Schauer über ihre reine Nacktheit lief. Da sie so lange nicht einschlafen konnte und sich in fiebriger Unruhe hin und her warf, waren wohl die Schulterknöpfe ihres Hemdes aufgegangen, so daß der linke Träger herabgeglitten war und den Busen entblößte. Es war goldenes Fleisch von seidiger Feinheit, der Lenz des Fleisches, zwei kleine, straffe, saftgeschwellte Brüste, auf denen zwei blasse Rosen knospeten. Sie hatte den rechten Arm unter den Nacken geschoben, ihr schlaf schwerer Kopf war hintübergesunken, vertrauensvoll bot sich ihre Brust in einer wunderbaren Linie des Hingegebenseins dar, während ihre aufgelösten schwarzen Haare sie noch in einen dunklen Mantel kleideten.
    »Donnerwetter! Sie sieht verflixt gut aus!« Das war’s, genau das war’s, die Gestalt, die er vergeblich für sein Gemälde gesucht hatte, und fast in der richtigen Haltung. Ein wenig mager, ein wenig zerbrechlich in ihrer Kindlichkeit, aber so schmiegsam, so jugendfrisch! Und dabei schon reife Brüste. Wo zum Teufel hatte sie gestern abend diesen Busen versteckt, daß er ihn nicht geahnt hatte? Ein wahrer Fund!
    Flink holte Claude seinen Kasten mit den Pastellstiften und ein großes Blatt Papier. Dann hockte er sich auf die Kante eines niedrigen Stuhls, legte einen Karton auf seine Knie und fing mit tief beglückter Miene an zu zeichnen. Seine ganze Verwirrung, seine fleischliche Neugier, sein niedergekämpftes Verlangen mündeten ein in diese Bewunderung des Künstlers, in diese

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