Das Werk der Teufelin
Domherrn erkannt?«
Pater Ivo öffnete den Mund und schloss ihn wieder, ohne etwas zu sagen. Dann schüttelte er den Kopf und meinte: »Weil ihn außer mir und Bruder Markus, dem Vogt und dem Ritter niemand gesehen hat. Die Weverin hat ihn nicht erkannt, natürlich!«
»Hätte der Ritter, sein Bruder, ihn nicht erkennen müssen?«
»Nicht unbedingt. Aber wer ihn sicher als das Eigentum des Domherren wieder erkennen wird, ist sein Diener. Begine, da habt Ihr einen sehr klugen Gedanken gehabt.«
»Der Ritter könnte argumentieren, der Wevers habe ihm den Dolch entrissen und ihn damit erstochen«, gab Almut zu bedenken.
»Aber wir haben eine Zeugin der Tat.«
»Die gleichzeitig beschuldigt wird, den Domherrn entmannt zu haben.«
»Was sie nachweislich nicht hat tun können.«
»Es wäre aber besser, wenn wir dazu die wahre Schuldige ebenfalls vorweisen könnten.«
»Dann wollen wir das tun, Begine. Ich hoffe, das kleine Schaf ist noch in seinem Stall.«
»Das, Pater, hoffe ich von Herzen. Und darum werde ich bald aufbrechen, um sie zu befragen.«
»Ich wäre gerne dabei. Aber zuvor halte ich es für besonders wichtig, Antorpfs Diener aufzusuchen und ihm den Dolch zu beschreiben.«
»Und was soll ich nun tun, Pater? Ihr werdet mich brauchen, nehme ich an.« Johanna war aufgestanden und nahm Trine die gefüllten Holzschalen ab, um sie auf den Tisch zu stellen.
»Ja, Ihr solltet hier bleiben. Bei Krudener scheint Ihr mir zumindest für eine Weile sicher.«
Der süße Brei duftete köstlich, und Almut merkte, dass die Erleichterung darüber, wie sich die Lage entwickelt hatte, sie hungrig gemacht hatte. Die sechs Menschen am Tisch aßen schweigend, jeder in seine Gedanken versunken, und die graue Katze schlich sich herein, um aus einem Schälchen am Kamin Sahne zu schlecken.
Es war Ewald, der als Erster aufstand und mit unbeholfen ausgebreiteten Händen zu Johanna ging. Er wirkte verlegen, aber man konnte erkennen, wie er mit sich kämpfte und all seinen Mut zusammennahm, um mit ihr zu sprechen.
Johanna sah zu ihm auf, und ein kleines Lächeln huschte über ihr Gesicht. Sie erhob sich ebenfalls und sah ihn an. Aufrecht stand sie da, und die Krone aus Flechten, das weich fallende blaue Kleid und das zärtliche Leuchten in ihren Augen ließen sie wirklich schön erscheinen. Ewald stammelte etwas, und sie nahm seine Hand und führte ihn ein Stück vom Tisch fort.
»Erstaunlich, wie sie sich verändert hat!«, stellte Pater Ivo fest. »Sie ist…«
»Eine helle Lampe!«, zitierte Almut und hatte Mühe, ein Kichern zu unterdrücken.
»Eine was?« Der Benediktiner starrte sie an, Meister Krudener verschluckte sich an seinem Brei und musste husten.
»Auf dem heiligen Leuchter!«, keuchte er dann schließlich und gackerte vor Freude.
»Gott, Sirach ist aber wirklich für alles gut!«, brummte Pater Ivo, doch er hatte ebenfalls plötzlich Lachfältchen um die Augen und zwinkerte Almut vergnügt zu. »Aber auch Ihr seid hoch gewachsen wie eine Zeder auf dem Libanon und eine Zypresse auf dem Gebirge Hermon. Aufgewachsen wie ein Palmbaum in En-Gedi und wie die Rosenstöcke in Jericho, wie ein schöner Ölbaum auf freiem Felde.«
Almut errötete verlegen und senkte den Kopf. Krudener tätschelte ihr sanft die Schulter und meinte: »Ein Priester hat seine eigenen Möglichkeiten, Komplimente zu machen, Frau Sophia. Aber es ist schon recht, Euch das Hohe Lied der Weisheit zu singen. Das andere Hohe Lied ist ihm ja verwehrt.«
30. Kapitel
Sie hatten sich auf den Weg gemacht, als die Glocken zur dritten Stunde läuteten. Pater Ivo zum Haus des Domherren, Almut zurück zum Konvent, von Trine begleitet, die in ihrem Korb nicht nur ein paar Krüge mit ihrem Melissengeist hatte, sondern zusätzlich das säuberlich auf Pergament geschriebene Rezept, um das die Apothekerin sie gebeten hatte. Langsam lichtete sich auch der Nebel, und es erschien wider Erwarten die Sonne über den sich im Blau auflösenden Schwaden.
Die Büttel waren noch am Abend bei den Beginen gewesen, erfuhr Almut kurz darauf. Sie hatten die Auskunft, Johanna wolle wieder in einer Badestube arbeiten, bereitwillig geschluckt. Wahrscheinlich würden sie den Tag damit verbringen, die zahllosen Badehäuser der Stadt aufzusuchen und harmlose Badende aufzustören. Angelika hatte die Nacht tief schlafend bei Thea verbracht und war noch nicht aufgestanden. Almut hoffte, dass Pater Ivo so bald wie möglich zu ihnen kam, um ihr bei der Befragung von Angelika zu
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