Das Werk der Teufelin
die Haare solltest du hochstecken. Wir werden uns morgen darum kümmern.«
»Wir können uns jetzt schon darum kümmern, Frau Almut!«, mischte sich Krudener ein und nickte zufrieden. »Ich habe da ein paar Truhen, in denen Kleider einer alten Freundin ruhen. Wartet einen Moment!«
Er nahm ein Handlicht und wandte sich den Stiegen zu. Almut zog die Nadeln aus Johannas Knoten und löste die Haare. Mit geschickten Fingern begann sie, ihr eine hohe Zopfkrone zu flechten, während über ihnen die Dielen knarrten und ein leises Scharren und Schurren zu vernehmen war.
»So, das sieht schon viel besser aus«, meinte Almut, als sie ihr Werk betrachtete. »So habe ich früher meine Haare auch oft aufgesteckt. Ein Schleier mit gekräuseltem Rand darüber würde sich sehr hübsch machen.«
»Ich verstehe nicht, was das soll, Almut.«
»Johanna, die Büttel haben dich nie gesehen. Sie suchen eine Bademagd oder eine Frau, die bei den Beginen lebt. Eine vornehme Dame suchen sie sicher nicht. Und die machen wir jetzt aus dir.«
»Ach, dummes Zeug. Ich bin keine Dame, ich bin eine Badehur.«
»Das wird sich zeigen!«, entgegnete Krudener, der mit einem dicken Bündel zurückgekommen war. »Versucht das einmal. Ich suche Euch derweil ein paar Decken heraus für Euer Nachtlager. Ihr werdet wohl in Trines Kammer schlafen müssen.«
Er verschwand wieder, und Almut öffnete das Bündel. Ein Untergewand, cremig weiß, mit langen hängenden Ärmeln kam hervor und eine Sukenie in blassem Blau, die mit einem Muster aus Silberfäden bestickt war.
»Himmlische Mutter, ist das schön!«, seufzte Almut und überredete Johanna dann, diese Gewandung anzulegen. Sie hatten gerade die letzten Nesteln zugebunden, als Krudener wieder die Stiege hinunterkam.
»Alle Achtung, Frau Sophia. Euch ist die Kunst der Transmutation wahrlich gelungen.«
Er zündete zwei weitere Lichter an und verneigte sich dann höflich vor Johanna.
»Edle Dame, werft einen Blick in diesen Spiegel.«
Ein leicht gewölbter Silberspiegel an der Wand zeigte Johanna als eine schlanke, würdevolle Frau. Und als sich die Verblüffung gelegt hatte, strafften sich ihre Schultern, hob sich ihr Busen, und ein stilles Leuchten breitete sich in ihrem Gesicht aus.
»Kann ich wirklich so aussehen?«, flüsterte sie.
»Du siehst so aus, wie du bist, Johanna.«
»Eine helle Lampe auf einem heiligen Leuchter!«, kicherte Krudener, und unvermittelt mussten auch Johanna und Almut lachen.
»Nun, nun, es ist tief in der Nacht. Zeit, schlafen zu gehen. Nehmt die edle Frau Johanna mit in Trines Kammer. Ihr findet Decken genug vor ihrer Tür.«
Es war eng und warm zu dritt in dem kleinen Zimmerchen, und Trine, die durch die Bewegungen geweckt wurde, rückte zur Seite und ließ Almut mit in ihrem Bett schlafen. Auch die graue Katze teilte ihr Lager. Johanna richtete sich ihr Bett auf dem Boden, und bald darauf war sie in einen erschöpften Schlaf gefallen.
Das Morgenlicht fiel bleiern durch den Laden, feucht und grau waberte der Nebel noch immer durch die Gassen, und gedämpft drangen die Geräusche der erwachenden Stadt in Almuts Bewusstsein. Langsam kam ihr wieder die Erinnerung an die Ereignisse der vergangenen Nacht, und ruckartig setzte sie sich auf. Was sowohl Krudener als auch sie vergessen hatten, Johanna gegenüber zu erwähnen, war, dass Ewald ebenfalls sein Hausgenosse war.
Ei wei!, dachte Almut und setzte die Füße auf den Boden. Das würde schwierig werden.
Trine rieb sich den Schlaf aus den Augen und wickelte sich ebenfalls aus den Decken. Fragend zeigte sie auf die unbekannte Kleiderpracht am Haken an der Wand, und Almut deutete mit ein paar erklärenden Gesten auf Johanna. Das taubstumme Mädchen verstand schneller, als Almut vermutet hatte, und nickte beifällig. Also stieg kurz darauf die ehemalige Bademagd elegant gekleidet und frisiert in die Stube hinab und stand einem mehr als überraschten Ewald gegenüber. Er brauchte einige Zeit, um sie überhaupt zu erkennen, dann aber verschloss sich seine Miene wieder, und er wandte sich ab, so als wäre sie überhaupt nicht anwesend.
»Einen schönen guten Morgen, Ewald«, begrüßte Almut ihn, während Trine das Feuer unter dem Kessel mit Grütze anfachte. »Ihr seid bestimmt überrascht von unserem Besuch.«
»Meister Krudener kann in seinem Haus empfangen, wen er will.«
»Ihr seid ein unhöflicher Stoffel, Ewald. Ihr schuldet uns zumindest eine angemessene Begrüßung!«
»Eine Dirne und Mörderin begrüße ich
Weitere Kostenlose Bücher