Das Werk der Teufelin
Schließlich fasste er sich und meinte beruhigend zu ihr: »Wisst Ihr, Ihr müsst nicht bang sein. Wegen dem, was die Badehur getan hat, ist ihr niemand böse.«
»Sie hat es nicht getan. Tratsch doch so etwas bitte nicht herum. Und jetzt sag mal, woher weißt du das mit dem Domherren überhaupt?«
»Ooch, der Johan von der Clingelmannspütze hat ’nen Freund, der kennt den Lodewig, einen Novizen von Groß Sankt Martin…«
»Und der behauptet, Johanna habe den Domherren verletzt?«
»Nö,
das
erzählen sie an der Marspforte. Weil die Johanna doch auf und davon ist!«
»Dann haben die an der Marspforte sich das ausgedacht. Johanna ist fortgegangen, weil sie krank war!«
»Klar…!«
»Und du gehst jetzt zu Aziza und fragst sie höflich, Pitter, ausgesucht höflich und ohne Frechheiten, ob sie heute Mittag Zeit für mich hat!«
Pitter machte eine übertrieben elegante Verbeugung und schnappte sich dann den Korb mit den Esswaren.
»Ganz zu Euren Diensten, edle Dame!«
Doch Pitter konnte Almut keine Antwort überbringen, denn er hatte Aziza nicht angetroffen. Zumindest hatte er ihrer Magd die Botschaft hinterlassen, und so steckte Almut ihm noch einen Honigkuchen zu und überlegte sich eine andere Vorgehensweise. Mit Thea hatte sie schon ein kurzes, unerquickliches Gespräch geführt. Vorsichtig hatte sie sich nach dem Besuch bei deren Schwester erkundigt, aber dazu mochte die ältere Begine nicht viel erzählen. Sie berichtete nur, die Geburt sei schwierig gewesen, aber das Kind hätte gesund und kräftig ausgesehen. Über Domherren hatte sie überhaupt nichts zu sagen, sondern bei der Frage nur verständnislos den Kopf geschüttelt und gemeint, sie habe Wichtigeres zu tun, als sich mit dererlei Geldsäcken abzugeben.
Unzufrieden mit dem Lauf der Dinge, ging Almut über den Hof, scheuchte den arroganten Hahn beiseite und betrat dann ihr Haus. In ihrem Zimmer nahm sie ihren Handarbeitskorb und begann eine zierliche Stickerei. Aber ihre zerstörte Marienfigur stand auf dem Tischchen, und immer, wenn ihr Blick auf sie fiel, wurde sie traurig. Schließlich legte sie die Arbeit beiseite und sprach ein leises Gebet zu Maria. Dabei zog sie wie zufällig das kleine Silberkreuz an seinem Kettchen unter dem Kleid hervor. Sie bemerkte es erst, als sie das Gebet beendet hatte, und in diesem Moment kam ihr auch schon der rettende Gedanke.
»Meister Krudener!«, entfuhr es ihr laut. Ihr war eingefallen, dass er gerade dieses Silberkreuz vor einiger Zeit für sie gereinigt hatte, als es tiefschwarz angelaufen war. »Ich werde dein Bildnis mitnehmen, Maria, wenn ich Trine heute besuche. Bestimmt kann er mir einen Rat geben, wie man es wieder ganz machen kann.«
Bald darauf hatte sie die Statue in ein weiches Tuch gewickelt und gab dann Clara Bescheid, sie wolle den Nachmittag bei dem Alchimisten und Trine verbringen.
»Ist das gut, wenn du alleine gehst?«
»Ich habe Dinge mit ihm zu bereden, die nicht für jedermanns Ohren bestimmt sind.«
»Nun gut, Almut. Allerdings habe ich das Gefühl, das Wetter wird schlechter. Es zieht ein Sturm auf. Sieh zu, vorher zurückzukommen.«
»Ich werde es versuchen. Ansonsten bleibe ich bei Trine!«
Der Himmel hatte sich tatsächlich verdunkelt, und die Böen waren zu einem stürmischen Wind angeschwollen, der Staub und Unrat durch die Gassen fegte. Er zerrte an Almuts Röcken und fuhr ihr unter den Umhang, der sich wie ein Segel im Wind blähte. Kurz bevor sie Krudeners Haus erreicht hatte, wurde sie auch noch von einem prasselnden Schauer durchnässt und war froh, als sie sich in das schützende Dunkel der Apotheke flüchten konnte. Der höhlenartige Raum war warm und geschwängert von den exotischsten Gerüchen. Zwei hohe Wachskerzen, deren Flammen im Luftzug flackerten, erhellten ihn nur spärlich. Erst als sie sich den Regen aus dem Gesicht gewischt hatte, bemerkte Almut die Anwesenheit eines weiteren Mannes neben Meister Krudener. Ein Kunde, wie es schien, doch einer, der sich des Apothekers Wohlwollen erfreute, denn die beiden waren in ein intensives Gespräch vertieft.
»Ah, hier weht uns die Weisheit ins Haus, Rebbe Goldfarb!«, krächzte Krudener erfreut auf, als er die Begine erkannte.
»Seid gegrüßt, meine Herren. Ich hoffe, ich störe Euch nicht. Ich hatte Trine versprochen, sie heute zu besuchen. Und ich habe auch ein kleines Anliegen an Euch, Meister Krudener.«
»Ihr stört nicht, Frau Almut, wir sind nur zwei alte Bücherwürmer, die staubige Erinnerungen
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