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Das Werk der Teufelin

Titel: Das Werk der Teufelin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schacht
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unbehaglich, denn sie wusste ja, was es mit der Statue auf sich hatte. Aber dann bat sie Maria still um Verzeihung für ihre Kleinmütigkeit und erklärte mit fester Stimme: »Die Himmelskönigin ist sie, die Mutter der Barmherzigkeit und die Gebärerin Gottes!«
    »Vollkommen richtig, Frau Almut. So wird und so wurde sie genannt. Doch sie hatte auch andere Namen. Hört, wie es geschrieben steht: ›Es nennen die Phrygier sie pessinuntische Göttermutter, die Athener kekropische Minerva, die Kyprier paphische Venus, die Kreter dictynische Diana, die Sizilier nennen sie stygische Proserpina, die Eleusinier Ceres. Andere nennen sie Juno, Bellona oder Hekate, aber die Ägypter, die Besitzer der ältesten Weisheit, nennen sie bei ihrem wahren Namen – Königin Isis.‹ So hat Apuleius sie uns beschrieben.«
    Der Rebbe lächelte dazu, aber Ewald starrte Almut völlig bestürzt an.
    »Ihr betet eine Götzenfigur an?«
    »Ich bete die Gottesmutter an, Ewald. Genauso wie Ihr es tut, wenn Ihr in der Kirche vor dem Marienaltar kniet!«
    »Das könnt Ihr doch nicht vergleichen! Dort ist es die reine Jungfrau Maria, die dargestellt wird, nicht eine heidnische, unzüchtige Göttin.«
    »Eine heidnische, unzüchtige Göttin? Meint Ihr, Ewald?«, wollte Almut mit trügerisch sanfter Stimme wissen und drehte das kreisförmige Scheibchen um, das sie als Heiligenschein gedeutet hatte. Darauf erglänzte nun plötzlich ein strahlenumrahmtes Kreuz in der dunklen Patina der Bronze. Einen kurzen Moment lang blieb der Novize stumm und beeindruckt, dann aber meinte er nur verächtlich: »Pah, das wurde nachträglich hineingeritzt! Blasphemie, so etwas, Frau Begine! Ich möchte wissen, ob Euer Priester von dieser Gotteslästerei weiß.«
    »Er weiß es, Jung Ewald. Er hat das Kreuz eigenhändig angebracht und die Figur geweiht und gesegnet. Pater Ivo, junger Freund, versteht ein klein wenig mehr von solchen Dingen als Ihr!«
    Diesmal blieb Ewald länger als nur einen Moment stumm, und seine Gesichtsfarbe glich sich der seiner Haare an. Almut beobachtete es fasziniert.
    Krudener hingegen schien bereits Erfahrung mit der Rubedo, der Rötung des Materials, zu haben und drückte dem Jüngling energisch den nun leeren Korb und ein paar Münzen in die Hand.
    »Seid so gut, und holt uns ein paar Pasteten vom Bäcker nebenan, Ewald.«
    Der schüttelte den Kopf, als wolle er ein paar Spinnweben loswerden, machte sich aber dann, nach wie vor schweigsam, auf den Weg.
    »Beeindruckend, Frau Begine!«, murmelte Goldfarb und fuhr der Bronzestatue mit liebevollem Finger über das sanft lächelnde Gesicht. »Verratet mir eines, Frau Almut – betet Ihr diese Gestalt hier wirklich an?«
    Etwas verwirrt sah Almut den alten Juden an, dann aber lächelte sie.
    »Nein, nicht so wie Ewald denkt, Rebbe Goldfarb. Ich bete zu Maria, das ist schon richtig, und wahrscheinlich mehr als ich sollte. Denn darüber vernachlässige ich manchmal ihren Sohn, und, Gott verzeihe mir, auch ihn. Aber nicht dieses Bildnis bete ich an, sondern – ja, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll – ich spreche mit dem Heiligen, das sich dahinter verbirgt, mit dem Geist der barmherzigen Mutter. Nur, ich frage Euch, macht man sich nicht stets irgendwie eine Vorstellung von dem, zu dem man im Gebet spricht? Ich meine, wie hätten sonst all die Künstler, die Maler, Holzschnitzer und Steinmetzen uns die Bilder und Statuen in den Kirchen geben können?«
    »Findet Ihr das denn richtig?«, hakte Goldfarb nach. »Gilt es nicht auch für Euch, dass Ihr Euch kein Bildnis machen sollt?«
    »Ich glaube nicht, dass der Herr etwas dagegen hat, wenn man sich ihn vorstellt, solange man nicht das Bild wichtiger nimmt als ihn selbst. Das wäre wirklich Götzendienst.«
    »So ähnelt denn diese Figur hier der Vorstellung, die Ihr Euch von Miriam, der Mutter des Propheten Jesus, macht?«
    »Ich dachte immer so, Rebbe Goldfarb. Sie lächelt so sanft, aber manchmal, wisst Ihr, wenn das Licht anders fällt und sich Schatten bilden, dann kann sie auch streng erscheinen. Eben wie eine wirkliche Mutter.«
    »›…und wer seine Mutter ehrt, der sammelt sich einen bleibenden Schatz.‹«
    »Hat Sirach gesagt.«
    Verdutzt sah Goldfarb zu Almut auf.
    »Ihr kennt die Worte des Jesus Sirach?«
    »Frau Almut liest sorgsam die Bibel, Rebbe. Fangt nur nicht an, mit ihr zu disputieren!«
    Der Rebbe strahlte Almut an, antwortete aber dem Apotheker: »Heute nicht, Meister Krudener, aber irgendwann gewisslich doch.« Dann

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