Das Werk der Teufelin
seltsame Heiligenschein wackelte lose und war zerknickt, die ihn haltenden Hörner waren vollkommen verbogen.
»O nein!«, entfuhr es Almut, als sie niederkniete und den Schaden besah. »Oh, dieser kleine Teufelsbraten!«
Vorsichtig hob sie die Statue auf und versuchte, sie wieder ein wenig zu richten. Aber dabei brach nur noch das seltsame henkelförmige Kreuz ab, das Maria in der Hand hielt.
»Arme Maria, schmerzensreiche Mutter. Ei wei, was mache ich nur mit dir?«
Den Tränen nahe, strich sie über das sanfte, dunkle Gesicht aus uralter Bronze. Dass die Figur wirklich uralt war, wusste sie inzwischen, denn Pater Ivo hatte ihr erklärt, sie stelle eine ägyptische Form der Maria, der Himmelskönigin dar, die bereits von den Römern verehrt worden war. Er hatte ihr auch den heidnischen Namen verraten, unter dem sie früher angerufen worden war. Aber das erfüllte Almut mit einem gewissen Unbehagen, und sie nannte die Gottesgebärerin doch lieber Maria und nicht Isis.
Der Päckelchesträger Pitter grinste breit, als er am nächsten Morgen die Begine am Tor nach ihm winken sah. Er verdiente sich normalerweise seinen Lebensunterhalt nicht schlecht damit, den Reisenden und Pilgern, die durch die Tore der Stadt kamen, seine Dienste als Fremdenführer und Gepäckträger anzubieten. Doch seit die Söldner auf dem Feld vor dem Eigelstein kampierten, war das Geschäft kaum mehr einträglich. Darum war für einen ewig hungrigen Vierzehnjährigen die Vorstellung, für einen Botendienst eine zusätzliche Mahlzeit zu erhalten, ausgesprochen verlockend. Und die Begine mit den grünen Katzenaugen und den Sommersprossen auf der Nase war ihm als besonders großzügig in Erinnerung geblieben.
»Was kann ich für Euch tun, Frau Begine?«, fragte er beflissen, als er vor ihr stand.
»Du kannst meiner Schwester eine Botschaft ausrichten, Pitter. Du weißt ja, wo sie wohnt.«
»Klar. Aber das ist ein verdammt langer Weg dorthin!«
»Mh, du meinst, du würdest eine Wegzehrung benötigen?«
»Könnt dann schneller gehen.«
»Na, vielleicht hilft dir das, was hier im Korb ist…?«
Höflich unterdrückte Pitter seine Gier, sofort die Zähne in das dick belegte Käsebrot zu schlagen, und nickte nur, während sich seine Zunge über die Lippen stahl.
»Was soll ich der maurischen Hure denn ausrichten? Etwas von der Badehure, die sie hier angeschleppt hat? Die dem Domjrafen den Schwanz abgeschnitten hat?«
Es geschah selten, dass Almut nach Worten suchen musste, aber jetzt schnappte sie hörbar nach Luft. Dann schoss ihre Hand zu einer derben Kopfnuss vor, der sich Pitter mit einer geübten Bewegung rasch entzog.
»Ja, ja, ich weiß, Eure Schwester ist keine Maurin. Aber die Badehur ist eine«, wehrte Pitter grinsend ab.
»Pitter! Johanna ist jetzt eine von uns.«
»Klar.«
Jetzt erst wurde Almut klar, über welch ein ausgesprochen delikates Wissen der Junge verfügte, und die Neugier nahm überhand.
»Sag mal, du Strolch, was erzählst du da eigentlich über den Domherren?«
»Na, der, den die Glocke von Sankt Kunibert erschlagen hat, dem hat sie…«
»Pitter, wie kommst du nur darauf?«
»Oh, ’tschuldigung, aber könnt ja sein, Ihr glaubt, ein Domjraf hätt kein Pittermännchen.«
Diesmal war Almut schneller und hatte Pitters Ohr erwischt. Er wand sich hin und her, aber ihr fester Griff war ihm der Beweis dafür, dass sie nicht nur feine Nadelarbeiten anfertigte.
»Pitter!«
»Aua, autsch! Ich dacht’s nur. Weil Ihr doch so keusch seid!«
»Schon gut.« Almut ließ das nicht ganz saubere Ohr los und gab den Jungen frei. »Erzähl!«
»Na, der Domjraf hatte jedenfalls einen, und er hat ihn ziemlich oft gebraucht! Einmal zu viel! Aber das wird er ja jetzt nicht mehr vermissen.« Pitter sah sie plötzlich beunruhigt an. In seinem Gesicht arbeitete es, aber dann platzte er doch mit seiner Frage heraus. »Aber am Tag der Auferstehung, Frau Begine, wird er da wieder ein ganzer Mann sein?«
»So wie du mir seinen Lebenswandel schilderst, dürfte die Frage der Auferstehung ihn wenig betreffen, Pitter!«
»Ja, aber… er ist doch ein Domjraf! Die kommen doch in den Himmel!«
»Pitter, wenn du fleißig deine Päckelches austrägst und dich hin und wieder hinter den Ohren wäschst, hast du größere Aussichten, in den Himmel zu kommen, als dieser Domherr, will mir scheinen.«
»Oh, meint Ihr, Frau Begine?« Pitter war tatsächlich ein bisschen rot vor Verlegenheit geworden, und Almut lächelte ihn aufmunternd an.
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