Das Werk der Teufelin
schmeckten zudem köstlich, das Holz in der Feuerstelle prasselte und verbreitete den Geruch trockener Buchenscheiter. Der grüne Papagei hatte es sich auf Trines Schulter bequem gemacht und wurde von ihr hin und wieder mit einem Häppchen gefüttert. Auch die graue Katze hatte sich auf dem Tisch niedergelassen und beäugte gierig die Fleischstückchen, die aus den Pasteten fielen. Genüsslich wackelte Almut mit den Zehen und nahm einen Schluck aus ihrem Becher. Der gesüßte Aufguss brannte leicht in der Kehle, und ein feiner Hauch von Melisse, Zimt und Nelken stieg daraus auf. Fragend sah sie Trine an, und die deutete verstohlen auf einen kleineren Krug in ihrer Nähe, aus dem sie ebenfalls etwas in die Becher gegossen hatte.
Ewald hatte sich inzwischen auf die Formen der Höflichkeit zurückbesonnen und ließ das Thema der Götzenanbetung ruhen. Ausführlich beantwortete er Almuts Fragen nach seiner Arbeit und dem Leben bei dem Alchimisten. Sie hörte sich seine Ausführungen einigermaßen geduldig an und überlegte dabei, wie sie ihr eigentliches Problem zur Sprache bringen konnte – seinen Aufenthalt in der Kirche von Sankt Kunibert und das Verhältnis zwischen ihm und Pater Ivo. Ewald ließ sich mit vor Eifer leicht geröteten Wangen über die Bücher und Pergamente aus, die er bei Meister Krudener einsehen durfte.
»Werke aus dem Morgenland, Frau Almut. Über die sonderbarsten Themen. Berechnungen über den Stand der Gestirne beispielsweise und deren Einfluss auf das Schicksal der Menschen!«
»Ah, ja, die Astrologia hat es unserem jungen Gelehrten angetan«, bestätigte Meister Krudener. »Ein Buch, das mir einer meiner Freunde von seinen weiten Reisen mitgebracht hat.«
»Ist es denn wahr, dass die Sterne das Geschick eines Menschen lenken?«
»Nun, manche Menschen lassen sich gerne lenken, nicht wahr, Frau Almut?«
»Ja, sicher, aber…«
»Und andere wiederum wehren sich gegen ihr Schicksal.«
»Das auch.«
»Lasst Ihr Euch leiten oder begehrt Ihr auf, Frau Almut?«
Verblüfft sah Almut den Alchimisten an. Er spottete nicht, er sah sie ernst und eindringlich an.
»Ich weiß es nicht, Meister Krudener. Ich glaube, manchmal ist es schwer, sich leiten zu lassen, und manchmal muss man kämpfen. Aber wenn die Sterne wirklich das Schicksal bestimmen, dann wäre es sicher besser, sich ihrem Einfluss zu beugen.«
»Und das Unabänderliche klaglos zu akzeptieren?«
»Ja, das wohl, wenn es denn wirklich unabänderlich ist.«
»Ah, höre ich leisen Zweifel an der Unabänderlichkeit des Schicksals?«
»Es mag falsch sein, Meister Krudener, und wahrscheinlich begehre ich mal wieder gegen den weisen Ratschluss Gottes auf, wenn ich denke, ein Mensch übernimmt auch selbst Verantwortung für sein Leben. Wozu sollten wir sonst die Fähigkeit erhalten haben, uns zwischen Gut und Böse entscheiden zu können?«
»Oh, Frau Sophia, schon wieder habt Ihr einen ungewöhnlich weisen Schluss gezogen. Nun, ich will Euch mit folgender Antwort trösten. Die Sterne lügen zwar nicht, aber sie legen den Weg des Menschen auch nicht fest. Seinen Weg muss jeder selbst finden, aber die kosmischen Kräfte machen geneigt, sich ihrem Einfluss zu beugen. Und so kann ich denn nur einem Menschen, der sich bedingungslos dem himmlischen Walten ausliefert, ein wirklich zutreffendes Horoskop stellen.«
»Und dann könnt Ihr die Zukunft darin lesen?«
Ein schwaches Lächeln breitete sich um Meister Krudeners Mundwinkel aus.
»Je nun, Frau Almut, gewisse Tendenzen könnte ich sogar bei Euch erkennen. Wollt Ihr mir sagen, wann Ihr geboren seid?«
»Im Mai, im Jahre der großen Pest.«
»1349 also, und an welchem Tag?«
»Am Tag des Märtyrers Johannes.«
»Nun, wir werden sehen, Frau Almut. Die Berechnung braucht ihre Zeit, aber wenn ich sie fertig gestellt habe, will ich das Ergebnis gerne für Euch deuten.«
Ewald, der schweigend zugehört hatte, fragte vorsichtig nach: »Könnte ich mein Horoskop auf Grund dieser Bücher auch berechnen?«
»Beschäftigt Euch ein wenig intensiver mit der Sternenmathematik, und Ihr werdet alsbald dazu in der Lage sein. Die Bücher, und was sie versprechen, sind sehr beeindruckend, nicht wahr? Solcherlei Werke habt Ihr im Kloster sicher nicht zu sehen bekommen.«
»O doch, Meister Krudener. Pater Ivo hat mich ähnliche Manuskripte lesen lassen, als er noch so tat, als sei er mir wohlgesonnen.«
Almut sah endlich ihre Chance gekommen, ihr eigentliches Anliegen vorzubringen, und sie mischte
Weitere Kostenlose Bücher