Das Werk der Teufelin
Ewald. Ich muss von Euch etwas wissen, das für meinen Konvent und auch für Pater Ivo wichtig ist. Es betrifft den Tag, an dem Ihr aus Sankt Kunibert geflohen seid. Könnt Ihr Euch noch daran erinnern, wann das war? Um welche Zeit habt Ihr die Kirche verlassen?«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Eine wichtige. Kommt, erinnert Euch.«
»Na gut. Ich hatte das Hochamt besucht, das für die Ewalden gehalten wurde, und dann mit meinen Bußgebeten begonnen. Es war – nun, die Non war schon vorbei, als ich ging, aber das Vesperläuten hörte ich erst, als ich bereits an der Stadtmauer war.«
»Wart Ihr nach dem Hochamt alleine in der Kirche?«
»Erst waren noch einige Gläubige dort, die vor dem Schrein beteten, aber sie verließen kurz darauf die Kirche. Danach war ich ganz alleine.«
»Sicher, Ewald? Ganz alleine? Ihr habt niemanden gesehen?«
Ewald senkte die Augen, und wieder schoss die Röte in sein Gesicht. Almut betrachtete ihn nachdenklich.
»Ewald, lügt mich nicht an. War noch jemand in der Kirche?«
»Was geht Euch das an!«, war die patzige Antwort, die in einem heftigen Schluckauf endete.
»Es geht mich leider eine Menge an. Wie Ihr wisst, hat bald, nachdem Ihr gegangen seid, der Glockenturm gebrannt. Und als die Glocke herunterfiel, hat sie einen Domherren erschlagen.«
»Was?«
»Habt Ihr ihm davon nichts erzählt, Meister Krudener?«
»Nein, ich hielt es nicht für so wichtig!«
»Es ist aber wichtig. Ewald, als die Feuerglocken läuteten, machte sich Pater Ivo Sorgen um Euch und eilte zu Sankt Kunibert. Er war derjenige, der den sterbenden Domherren fand, und dessen letzte Worte verwiesen auf eine Teufelin, die bei uns, den Beginen, zu suchen sei. Er fand auch einen blutigen Dolch! Und aus diesem Grund wurde jetzt unsere Meisterin in die Hacht gesperrt. Könnt Ihr nicht verstehen, weshalb ich wissen möchte, ob noch jemand außer Euch in der Kirche war?«
Ewald war jetzt nicht mehr rot, sondern geisterhaft blass geworden, und seine Augen hielt er weit aufgerissen auf Almut gerichtet. Zwischen zwei krampfartigen Schlucksern stieß er hervor: »Nein, es war niemand mehr dort. Nein, niemand. Ich schwör’s! Niemand!«
»Ewald, sagt Ihr wirklich die Wahrheit? Ihr habt Euch nicht zufällig dort mit jemandem getroffen?«
»Mit niemand, nein!« Mit zitternden Fingern griff Ewald zu seinem Becher und trank den Rest von Trines Gebräu in einem Zug aus. »Ich hab n…n…niemand gsehn.«
»Es wurde noch eine zweite Leiche gefunden, Ewald, ein jüngerer Mann, aber durch einen glosenden Balken ziemlich entstellt. Habt Ihr gewiss niemanden, Mann oder Frau, getroffen? Ewald, ich muss herausfinden, wer diese Teufelin ist!«
Der junge Mann war in sich zusammengesunken und legte jetzt den Kopf auf die verschränkten Arme.
»O mein Gott!«, stöhnte er. »Warum musch mir das paschieren.«
Seine Zunge gehorchte ihm nicht mehr so recht, und plötzlich fing er haltlos an zu weinen. Etwas verdutzt stand Almut auf und setzte sich neben ihn.
»Ei wei, so schlimm kann es doch gar nicht sein. Was ist denn geschehen?«
Tröstend legte sie ihm den Arm um die Schulter und versuchte zu verstehen, was er stammelte.
»Und ich hab sie geliebt. Ich wollte sie heiraten!«, hörte sie aus dem Gemurmel heraus. Dann richtete er sich plötzlich wieder auf und rief: »Diese Hure! Warum hat sie das getan?«
»Wer, Ewald? Wer hat was getan?«
»Sie hat geschworen, sie wird sich rächen. Is nich gut, rächen, habich gesagt. Wollte sie dann auch nich mehr. Jetzt hat sie’s doch getan. Und ich? Ich wollt sie heiraten. Die Teufelin!« Er brach schluchzend zusammen, und Almut ließ ihn kopfschüttelnd los.
»Was hast du ihm in den Becher getan, Trine?«
Krudener antwortete für sie: »Kräutertee und den Geist des Weines. Ich war zwar immer der Meinung, man dürfe diesen hoch konzentrierten Alkohol nur äußerlich anwenden, aber Trine hat eine bewundernswerte Findigkeit an den Tag gelegt, um ihn auch innerlich wirken zu lassen. Sie hat ihn mit Melisse, Zimt und Nelken, Kardamom und Ingwer ziehen lassen. Wir haben es gemeinsam ausprobiert, es ist ein wunderbar verdauungsförderndes Mittel. In kleinen Mengen.«
»In großen Mengen, scheint es, macht es besinnungslos trunken.«
»In der Tat. Aber es löst auch die Zunge, wie Ihr gemerkt habt.«
»O ja. Und was er gesagt hat, ist furchtbar, Meister Krudener. Denn es war diese Teufelin in der Kirche, und er kennt sie!«
»Es scheint so. Aber jetzt bekommt Ihr aus ihm
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