Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)
Vertrauen in mich immens.
So legten wir denn sämtliche Mittel zusammen, und Tupper brachte mich an Bord eines Schiffes. Er wies mich an, in die Welt hinauszugehen und viel Wind um mich zu machen. Bedauerlicherweise zählt das Windmachen nicht zu meinen herausragenden Qualitäten. Noch bedauerlicher war vielleicht die Tatsache, dass aus den paar Jahren im Dschungel zu guter Letzt achtzehn Jahre wurden, wie ich Miss Whittaker bereits berichtet habe. Sparsamkeit und Beharrlichkeit hielten mich über fast zwei Jahrzehnte am Leben, und ich kann mit einigem Stolz von mir behaupten, dass ich nach Tuppers anfänglicher Investition nie mehr Geld von ihm oder jemand anderem empfangen habe. Gleichwohl vermute ich, dass der arme Tupper sich heute des Gefühls nicht erwehren kann, dass sein Glaube an mich etwas töricht war. Als ich letztes Jahr schließlich heimkehrte, war er immerhin so freundlich, mir die Druckerpresse seiner Familie zur Verfügung zu stellen, um einige der Lithographien, die Sie gesehen haben, herzustellen. Der Wunsch, ein Buch mit mir zu machen, ist ihm – verzeihlicherweise – schon vor langer Zeit abhandengekommen. Ich bin zu langsam für ihn. Er hat jetzt eine Familie und kann mit derart aufwendigen Projekten nicht seine Zeit vertändeln. Nichtsdestoweniger ist er mir unverzagt ein guter, treuer Freund geblieben. Er gestattet mir jederzeit, in seinem Hause auf dem Sofa zu schlafen, und seit meiner Rückkehr nach Amerika durfte ich wieder einige Zeit in seiner Druckerei aushelfen.«
»Und Ihre Pläne?«, fragte Alma.
Mr Pike hob mit einer fast flehenden Geste die Hände. »Wissen Sie, ich fasse schon seit langem keine Pläne mehr.«
»Aber was würden Sie gern tun?«, beharrte Alma.
»Diese Frage ist mir noch nie gestellt worden.«
»Ich stelle sie nun, Mr Pike. Und ich möchte, dass Sie mir eine aufrichtige Antwort geben.«
Aus seinen hellbraunen Augen sah er Alma an. Mit einem Mal wirkte er unsäglich erschöpft. »Dann will ich es Ihnen sagen, Miss Whittaker«, erklärte er. »Ich möchte nie wieder reisen. Gern verbrächte ich die mir verbleibende Zeit an einem Ort, der es mir erlauben würde, bedächtig in meiner Arbeit voranzuschreiten, einem Ort, so ruhig und so still, dass ich dort leben und mir dabei zuhören kann.«
George und Alma tauschten Blicke. Und als hätte Henry plötzlich gespürt, dass man ihn seit geraumer Zeit ignorierte, fuhr er aus dem Schlaf und lenkte die Aufmerksamkeit wieder auf sich.
»Alma!«, brummte er. »Dieser Brief von Dick Yancey, letzte Woche. Hast du ihn gelesen?«
»Ja, ich habe ihn gelesen, Vater«, antwortete Alma in verändertem Ton.
»Und was hältst du davon?«
»Ich denke, dass es missliche Neuigkeiten sind.«
»Ja, das kann man wohl sagen. Seit diesem Brief ist meine Stimmung abscheulich. Was sagen deine Freunde dazu?« Henry deutete mit dem Weinglas auf George und Ambrose Pike.
»Ich glaube nicht, dass sie über die Situation informiert sind«, erwiderte Alma.
»Dann erklär ihnen die Situation, Tochter. Ich brauche Meinungen.«
Dies war eine ungewöhnliche Reaktion. Im Allgemeinen scherte sich Henry nicht um anderer Leute Meinungen. Da er jedoch weiterhin auffordernd mit seinem Glas herumfuchtelte, wandte sich Alma an George und Mr Pike.
»Nun … also … es geht um Vanille«, fing sie an. »Vor ungefähr fünfzehn Jahren hat sich mein Vater von einem Franzosen davon überzeugen lassen, in eine Vanilleplantage auf Tahiti zu investieren. Nun haben wir erfahren, dass die Plantage daniederliegt und der Franzose verschwunden ist.«
»Und mit ihm mein Kapital«, fügte Henry hinzu.
»Und mit ihm das Kapital meines Vaters«, bestätigte Alma.
»Eine beträchtliche Summe«, betonte Henry.
»Eine überaus beträchtliche Summe«, bekräftigte Alma. Sie wusste, wovon sie sprach, schließlich hatte sie selbst damals die Zahlungsanweisungen getätigt.
»Eigentlich hätte es funktionieren müssen«, sagte Henry. »Das Klima ist ideal. Und die Pflanzen wuchsen ja auch! Dick Yancey hat sie mit eigenen Augen gesehen. Bis zu fünfundsechzig Fuß lange Ranken! Der verfluchte Franzose meinte, Vanille würde dort wunderbar gedeihen, und damit hatte er recht. Die Blüten waren faustgroß. Genauso, wie er versprochen hatte. Was hat dieser kleine Franzmann noch gleich gesagt, Alma? Auf Tahiti Vanille anzubauen ist leichter, als im Schlaf zu furzen.«
Alma erbleichte und warf ihren Gästen einen peinlich berührten Blick zu. George war höflich damit
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