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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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Schätze von White Acre zu veröffentlichen. In deinen Gewächshäusern gedeihen Pflanzen, wie sie die zivilisierte Welt noch nie gesehen hat. Sie sollten dokumentiert werden.«
    »Warum soll ich so etwas Kostspieliges tun, Alma?«
    »Ich will dir sagen, was mir unlängst zu Ohren gekommen ist«, erwiderte Alma. »Die Gärten von Kew planen die Publikation eines Katalogs mit hochwertigen Drucken und Illustrationen der seltensten Pflanzen aus den dortigen Gewächshäusern. Wusstest du das?«
    »Zu welchem Zweck?«, fragte Henry statt einer Antwort.
    »Zum Zweck der Prahlerei«, erwiderte Alma. »Ich habe es von einem der jungen Lithographen gehört, die in der Arch Street für George Hawkes arbeiten. Die Briten haben dem jungen Mann ein kleines Vermögen geboten, um ihn nach Kew zu locken. Er ist recht talentiert, wenn auch kein Ambrose Pike. Er denkt darüber nach, die Einladung anzunehmen. Ihm zufolge soll das Buch die besten Pflanzen-Lithographien versammeln, die jemals gedruckt worden sind. Königin Victoria höchstpersönlich stellt Geld zur Verfügung. Fünffarbenlithographien, dazu die besten europäischen Aquarellmaler. Zudem soll es ein stattlicher Band werden, fast zwei Fuß groß, sagt der junge Lithograph, und so dick wie die Bibel. Jeder Pflanzensammler wird ein Exemplar davon haben wollen. Es soll die Renaissance von Kew einläuten.«
    »Die Renaissance von Kew!«, höhnte Henry. »Kew wird nie mehr das sein, was es einmal war, jetzt, wo Banks tot ist.«
    »Da habe ich aber anderes gehört, Vater. Seit sie das Palmenhaus gebaut haben, behaupten alle, Kew werde wieder in altem Glanz erstrahlen.«
    War es schamlos von ihr oder gar frevelhaft, Henrys alten Konkurrenzkampf mit Kew zu schüren? Alles, was sie gesagt hatte, entsprach doch der Wahrheit. Alles. Sollte Henrys alte Feindschaft ruhig wieder aufleben, entschied Alma. Was war verkehrt daran, solche Kräfte zu mobilisieren? In den letzten Jahren war White Acre in Apathie versunken. Ein bisschen Konkurrenz würde niemandem schaden. Alma hoffte doch nur, Henry Whittakers alte Knochen ein bisschen in Schwung zu bringen, und ihre eigenen gleich dazu. Die Familie brauchte neuen Elan!
    »Kein Mensch hat jemals von Ambrose Pike gehört, Vater«, fuhr sie beharrlich fort. »Doch wenn George Hawkes erst einmal seine Orchideen-Sammlung veröffentlicht hat, wird jeder den Namen Pike kennen. Und wenn die Gärten von Kew dann auch noch ihr Buch veröffentlichen, wird jeder botanische Garten, jedes Gewächshaus dieser Welt sein eigenes Florilegium in Auftrag geben wollen – man wird sich um Ambrose Pike reißen. Wir sollten nicht darauf warten, ihn an die Konkurrenz zu verlieren. Binden wir ihn an White Acre, indem wir ihm Obdach gewähren und ihn unter unsere Schirmherrschaft stellen. Investiere in ihn, Vater. Du hast gesehen, wie gescheit und begabt er ist. Gib ihm diese Gelegenheit. Lass uns eine Folioausgabe der Pflanzensammlung von White Acre veröffentlichen, die alles übertrifft, was die Welt an botanischen Illustrationen jemals gesehen hat.«
    Henry sagte nichts. Jetzt konnte Alma hören, wie bei ihm die Abakusperlen klackerten. Sie wartete. Er nahm sich Zeit zum Nachdenken. Zu viel Zeit. Unterdessen schlürfte Hanneke mit provozierender Ungezwungenheit ihren Kaffee. Das Geräusch schien Henry abzulenken. Am liebsten hätte Alma der alten Frau die Tasse aus der Hand geschlagen.
    Stattdessen hob sie die Stimme und unternahm eine letzte Anstrengung: »Es dürfte nicht schwer sein, Vater, Mr Pike davon zu überzeugen, bei uns zu bleiben. Der Mann braucht vielleicht ein Zuhause, doch zum Leben braucht er herzlich wenig, es wäre also ein Leichtes, ihn zu versorgen. Sein irdisches Hab und Gut füllt einen Koffer, der ohne weiteres auf deinem Schoß Platz finden würde. Und wie du heute Abend erleben durftest, ist er von außergewöhnlich angenehmem Umgang. Ich glaube, dass es dich sogar erfreuen könnte, ihn um dich zu haben. Aber was auch immer du tust, Vater, schick diesen Mann um keinen Preis nach Tahiti. Jeder Dummkopf kann Vanille anbauen. Such dir einen anderen Franzosen für diese Aufgabe oder engagier einen Missionar, der sich langweilt. Jeder Hohlkopf kann eine Plantage leiten. Aber niemand reicht an Ambrose Pike heran, wenn es um Pflanzenillustrationen geht. Lass dir die Gelegenheit nicht entgehen, ihn an dich zu binden. Ich erteile dir selten einen so nachdrücklichen Rat, Vater, doch heute Abend sehe ich mich gezwungen, dir in aller Deutlichkeit zu

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