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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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gütlich. Sie aß so viele Mangos – die eine oder andere teilte sie mit Little Nick –, dass sie Ausschlag davon bekam. Sie sah Pferderennen und Tanzvergnügungen. Sie nächtigte in einem Hotel, das von einem gemischtrassigen Paar geführt wurde – das erste Mal, dass Alma mit Derartigem in Berührung kam. (Die Frau, eine freundliche, tüchtige Schwarze, war flink und rührig; der Mann, ein alter Weißer, rührte keinen Finger.) Kein Tag verging, an dem sie nicht Männer sah, die Sklaven durch die Straßen von Rio trieben und diese gefesselten Gestalten zum Kauf feilboten. Alma konnte den Anblick kaum ertragen. Es machte sie krank vor Scham, diesen Ungeheuerlichkeiten so viele Jahre lang keinerlei Beachtung geschenkt zu haben.
    Zurück an Bord, hielten sie auf Kap Hoorn zu. Auf dem Weg dorthin wurde das Wetter so unwirtlich für die Jahreszeit, dass Alma, bereits in allerlei Schichten Wolle und Flanell gehüllt, ihre Garderobe um einen Soldatenmantel und eine geliehene russische Mütze erweiterte. Derart vermummt war sie von den Männern an Bord nicht mehr zu unterscheiden. Sie sah die Berge von Feuerland, doch das Schiff konnte wegen des grimmigen Wetters nicht anlegen. Es folgten fünfzehn grauenvolle Tage, während sie das Kap umrundeten. Der Kapitän beharrte darauf, alle Segel gehisst zu lassen, und es war Alma ein Rätsel, wie die Masten standhielten. Das Schiff wurde erst auf die eine, dann auf die andere Seite geworfen. Fast schien es, als brüllte die Elliot vor Schmerz, so sehr hieb und drosch das Meer auf die arme hölzerne Seele ein.
    »Wenn es Gottes Wille ist, dann kommen wir auch durch«, erklärte Terrence und ließ alle Segel gehisst, entschlossen, vor Einbruch der Dunkelheit weitere zwanzig Knoten zurückzulegen.
    »Aber was geschieht, wenn jemand umkommt?«, schrie Alma über den Sturm hinweg.
    »Seebestattung«, brüllte der Kapitän zurück und setzte die Fahrt fort.
    Darauf folgten fünfundvierzig Tage bitterer Kälte. Die Wellen peitschten pausenlos heran. Mitunter waren die Unwetter so heftig, dass die älteren Seeleute Psalmen anstimmten, um sich zu beruhigen. Andere fluchten und wetterten, und einige wenige blieben still – so, als wären sie bereits tot. Der Sturm riss die Hühnerkäfige aus ihren Halterungen und trieb die Hühner flatternd über Deck. Eines Nachts zerbarst der Bugspriet zu lauter kleinen Spänen, mit denen man ein Feuer hätte entzünden können. Am nächsten Tag versuchte die Besatzung, einen neuen Bugspriet anzubringen, scheiterte jedoch daran. Einer der Männer stürzte, von einer Welle aus dem Gleichgewicht gebracht, in den Frachtraum und brach sich mehrere Rippen.
    Alma schwebte die ganze Zeit zwischen Hoffen und Bangen und war überzeugt, jeden Augenblick sterben zu müssen – doch sie schrie nicht ein einziges Mal in Panik und erhob auch nicht angstvoll die Stimme. Und als es vorüber war und das Wetter wieder aufklarte, da sagte Kapitän Terrence zu ihr: »Sie sind ja eine wahre Neptunstochter, Miss Whittaker«, und Alma glaubte, nie im Leben ein größeres Lob gehört zu haben.
    Schließlich, Mitte März, legten sie in Valparaiso an, wo die Seeleute in den zahllosen Bordellen ihre amourösen Entbehrungen wettmachen konnten, während Alma die lebendige und gastfreundliche Stadt erkundete. Die Gegend rund um den Hafen war ein verkommener Sumpf, doch die Häuser an den steilen Hängen ringsum waren wunderschön. Tagelang durchwanderte sie die Berge und spürte, wie ihre Beine wieder an Kraft gewannen. In Valparaiso traf sie beinahe so viele Amerikaner wie in Boston – und alle waren sie unterwegs nach San Francisco, um dort nach Gold zu suchen. Alma aß sich an Birnen und Kirschen satt. Sie begegnete einer frommen Prozession, fast eine halbe Meile lang, zu Ehren eines ihr völlig unbekannten Heiligen, und folgte ihr den ganzen Weg bis zu einer eindrucksvollen Kathedrale. Sie las Zeitungen und schrieb Briefe an Prudence und Hanneke in der Heimat. An einem kühlen, klaren Tag erklomm sie den höchsten Punkt von Valparaiso und konnte in weiter, diesiger Ferne die schneebedeckten Gipfel der Anden ausmachen. Sie spürte das Fehlen ihres Vaters wie einen dumpfen Schmerz. Sonderbarerweise war es ein Gefühl der Erleichterung, Henry zu vermissen und endlich einmal nicht Ambrose.
    Dann stachen sie wieder in See, hinaus in die endlosen Weiten des Pazifiks. Es wurde wärmer. Die Besatzung wurde ruhiger. Man schrubbte die Zwischendecks, entfernte alten Schimmel und Reste

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