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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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von Erbrochenem und summte bei der Arbeit vor sich hin. Am Morgen, inmitten des allgemeinen geschäftigen Treibens, hatte das Schiff etwas von einem kleinen, ländlichen Dorf. Alma war es inzwischen gewohnt, sich nicht zurückziehen zu können, und empfand die ständige Gegenwart der Besatzung als tröstlich. Die Männer waren ihr vertraut, und sie war froh, sie um sich zu haben. Sie brachten ihr Seemannsknoten und Shantys bei, und sie verband ihre Wunden und öffnete ihre Geschwüre. Alma aß einen Albatros, den ein junger Matrose geschossen hatte. Sie passierten den dahintreibenden, aufgedunsenen Kadaver eines Wals – mit dem Speck hatten sich bereits andere Walfänger davongemacht –, doch ein lebendiger Wal begegnete ihnen nicht.
    Der Pazifik erstreckte sich endlos und leer vor ihnen. Zum ersten Mal begriff Alma, weshalb die Europäer so lange gebraucht hatten, inmitten dieses ungeheuren Gewässers die Terra Australis zu finden. Die frühen Forscher waren davon ausgegangen, dass es hier unten irgendwo einen südlichen Kontinent von der Größe Europas geben müsse, um die Erde perfekt im Gleichgewicht zu halten. Doch sie irrten. Hier unten gab es kaum etwas anderes als Wasser. Wenn überhaupt, so war die südliche Halbkugel das Gegenteil Europas: ein gewaltiger Meereskontinent, durchsetzt von winzigen, weit auseinanderliegenden Festlandseen.
    Tag um Tag blauer Einöde verging. Überall, so weit ihre Gedanken nur reichten, sah Alma nichts als Prärien aus Wasser. Wale indessen sahen sie immer noch nicht. Auch Vögel waren keine zu entdecken, dafür sahen sie das Wetter hundert Meilen im Voraus, und das war oft kein schöner Anblick. Die Luft blieb stumm, bis das Unwetter sie erreicht hatte, dann heulte der Wind laut auf vor Qual.
    Anfang April widerfuhr ihnen ein äußerst bedrohlicher Wetterumschwung, der den Himmel vor ihren Augen schwarz färbte und dem Tageslicht mitten am Nachmittag den Todesstoß versetzte. Die Luft war schwer und drückend. Der plötzliche Wandel erschreckte Kapitän Terrence so sehr, dass er tatsächlich sämtliche Segel einholen ließ, während aus allen Richtungen in schneller Folge Blitze auf sie niederfuhren. Die Wellen schwollen zu schwarzen Bergen an. Dann verschwand das Unwetter wieder, so schnell, wie es gekommen war, und der Himmel klarte auf. Doch anstatt erleichtert zu sein, schrien die Männer nun entsetzt auf, denn sie sahen eine Wasserhose herannahen. Der Kapitän befahl Alma, unter Deck zu gehen, sie rührte sich nicht: Es war ein viel zu atemberaubender Anblick. Gleich darauf erhob sich erneut Geschrei, als die Männer entdeckten, dass nicht eine, sondern wahrhaftig drei Wasserhosen das Schiff aus bedrohlicher Nähe umzingelten. Alma war wie hypnotisiert. Einer der Wirbelstürme kam so nah heran, dass sie die einzelnen, langen Wasserstränge erkennen konnte, die sich als gewaltige, kreiselnde Säule aus dem Meer bis hinauf in den Himmel wanden. Nie hatte sie etwas so Majestätisches erblickt, nie etwas so Erhabenes, nie etwas so Furchteinflößendes. Der Luftdruck war derart hoch, dass sie fürchtete, ihre Trommelfelle müssten platzen, und es kam einem Kampf gleich, überhaupt noch Luft zu holen. Fünf Minuten lang war Alma so überwältigt, dass sie nicht mehr wusste, ob sie tot oder lebendig war. Sie wusste nicht mehr, in welcher Welt sie sich befand. Dann kam ihr der Gedanke, dass ihre Zeit auf dieser Welt zu Ende war. Zu ihrer Überraschung störte sie das nicht. Es gab niemanden, nach dem sie sich sehnte. Kein Mensch, den sie je gekannt hatte, kam ihr in den Sinn, weder Ambrose noch sonst jemand. Sie bereute nichts. Sie stand einfach da in sprachlosem Staunen, auf alles gefasst, was da kommen sollte.
    Als die Wasserhosen schließlich vorbeigezogen waren und das Meer wieder ruhig lag, schien es Alma, als wäre sie im Leben noch nie so glücklich gewesen.
    Sie segelten weiter.
    Südlich von ihnen, fern und unvorstellbar, lag die eisige Antarktis. Nördlich von ihnen lag anscheinend nichts – zumindest behaupteten das die gelangweilten Seeleute. Die Elliot selbst segelte nach Westen. Alma vermisste die Freuden des Wanderns und den Duft von Erde. Weil es keine anderen botanischen Studien zu betreiben gab, bat sie die Männer, Meerespflanzen für sie an Bord zu ziehen. Sie kannte sich nicht allzu gut aus mit Meerespflanzen, doch sie wusste, wie man ein Ding vom anderen unterschied, und bald schon hatte sie herausgefunden, dass manche Gewächse Wurzelstränge besaßen

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