Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)
eines Monats stattete ich ihr einen Besuch ab, bei dem sie mir erlaubte, ihre Geschlechtsteile in Augenschein zu nehmen, welche kaum von den Geschlechtsteilen einer viel jüngeren Frau zu unterscheiden waren. Sie demonstrierte mir, dass sie durchaus noch fähig zur Sinneslust war. Indem sie ihren Hügel der Leidenschaft mit einer feinen Schicht Nussöl bedeckte, führte sie sich unter Zuhilfenahme ihrer Finger zu einem Gipfel der Wonne …«
Alma klappte das Buch zu. Dieses Buch musste weg. Sie würde es im Küchenfeuer verbrennen. Nicht am Nachmittag, da würde man sie sehen, sondern später am Abend.
Sie öffnete es nochmals, wieder aufs Geratewohl.
»Ich bin zu der Überzeugung gelangt«, fuhr der Autor seelenruhig fort, »dass es Menschen gibt, die geistig wie körperlich von regelmäßigen Schlägen auf das Gesäß profitieren. Häufig sah ich, wie dieses Verfahren bei Männern wie Frauen das Gemüt aufrichtete, und ich vermute, dass wir kein gesünderes Mittel zur Behandlung von Melancholie und anderen geistigen Leiden zur Verfügung haben. Zwei Jahre lang verkehrte ich mit einem entzückenden Dienstmädchen, der Tochter eines Hutmachers, deren unschuldige, engelsgleiche Kugeln unter mehrfachen Geißelungen kräftig und fest wurden. Ja, die Peitsche vermochte all ihre Sorgen auszulöschen. Wie schon zuvor beschrieben, verfügte ich damals in meinen Büroräumen über ein aufwendiges, eigens von einem Polsterer angefertigtes Sofa, das mit Seilen und Winden ausgestattet war. Dieses Mädchen liebte es über alles, fest an das Sofa gebunden zu sein und mein Glied in den Mund zu nehmen, um daran zu saugen wie ein Kind, das an einem Zuckerstab leckt, während ein Gefährte …«
Alma klappte das Buch wieder zu. Jeder, der dem Vulgären abhold war, hätte sofort aufgehört, dieses Machwerk zu lesen. Wo kam diese Neugierde her, die sich wie eine hungrige Raupe durch Almas Bauch fraß? Die täglich mit neuen, ungewöhnlichen, wahrhaftigen Dingen gefüttert werden wollte?
Alma schlug das Buch wieder auf und las in einem unbeschreiblichen Gefühlsaufruhr eine ganze Stunde darin. Das Gewissen zerrte an ihrem Rocksaum und flehte sie an, sie möge bitte aufhören, doch sie konnte nicht. Was sie auf diesen Seiten entdeckte, verschlug ihr den Atem, beunruhigte und erregte sie. Als sie das Gefühl hatte, dass sie kurz davor war, aus dem rauschenden, wogenden Gestrüpp ihrer Phantasie zu stürzen und in einer Ohnmacht zu versinken, knallte sie das Buch endlich zu und sperrte es weg, zurück in die unverfängliche Kiste, aus der es gekommen war.
Fluchtartig verließ sie die Remise und strich sich mit feuchten Händen die Schürze glatt. Draußen war es so kühl und wolkenverhangen wie schon das ganze Jahr, und ein erbärmlicher Sprühregen lag so schwer in der nebeligen Luft, dass es sich anfühlte, als könnte man sie mit dem Skalpell zerteilen. An diesem Tag gab es noch wichtige Dinge zu erledigen. Alma hatte Hanneke de Groot versprochen, dass sie ihr helfen würde, das Einlagern der Apfelsaftfässer zu beaufsichtigen, die für den Winter in den Keller gebracht werden sollten. Irgendjemand hatte unter den Fliederbüschen längs der Zäune am South Wood Papier verstreut; das musste entfernt werden. Und hinter Mutters griechischem Garten hatte Efeu das Gebüsch überwuchert, auch dorthin musste ein Bursche geschickt werden. Sie würde sich sofort um alles kümmern, tüchtig wie immer.
Rohre und Löcher.
Sie konnte an nichts anderes mehr denken als an Rohre und Löcher.
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Der Abend kam. Das Speisezimmer war hell erleuchtet, Porzellan aufgelegt. Gäste wurden erwartet. Alma hatte sich fürs Dinner umgezogen. Eingeschnürt in ein teures Kleid aus Jakonett-Musselin, hätte sie im Salon auf die Gäste warten sollen, doch stattdessen entschuldigte sie sich und erklärte, sie wolle noch für einen Moment in die Bibliothek gehen. Eilends schloss sie sich in der Buchbindekammer ein. Es war die nächstgelegene Tür, die ein stabiles Schloss besaß. Sie hatte das Buch nicht bei sich. Sie brauchte es nicht; die Bilder hatten sie den ganzen Nachmittag mit äußerster Beharrlichkeit verfolgt.
Ihr Kopf war randvoll mit Gedanken, die wilde Forderungen an ihren Körper stellten. Ihre Scheide brannte. Als hätte man ihr etwas entrissen. Ein glühender Schmerz, der sich im Laufe des Nachmittags zugespitzt hatte. Das bohrende Gefühl zwischen ihren Beinen kam ihr fast vor wie ein teuflischer Spuk oder Hexerei. Ihre Scheide verlangte
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