Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)
selbst tun, wie Alma in der Bindekammer entdeckt hatte. Auch ohne eine feine Schicht Nussöl.
Taten andere Leute das auch? Nicht nur den eher gymnastischen Akt der Penetration, sondern auch das heimliche Reiben? Anonymus zufolge taten es viele Menschen, sogar, nach allem, was er erlebt hatte, Damen von edler Geburt. Was war mit Prudence? Tat sie es? Hatte sie die schwellenden Blütenblätter, den Hitzesog, die phosphoreszierende Explosion schon einmal erlebt? Alma konnte es sich einfach nicht vorstellen, Prudence schwitzte ja nicht einmal. Es war schon schwierig genug, ihre Mimik zu deuten, wie sollte man da erraten, was sich unter ihren Kleidern oder in ihrem Kopf verbarg?
Und was war mit Arthur Dixon, ihrem Hauslehrer? War sein Kopf nur ein Hort gelehrter Langeweile, oder versteckten sich auch andere Dinge darin? Verbarg sich etwas hinter seinem trockenen Dauerhusten und seinen Gesichtszuckungen? Sie starrte Arthur an, suchte nach Anzeichen von Sinnlichkeit, doch sein Körper und sein Gesicht verrieten nichts. Jenes ekstatische Beben, das vorhin in der Bindekammer durch ihren Körper gegangen war, konnte sie sich bei Arthur Dixon beim besten Willen nicht vorstellen. Sie konnte ihn sich ja kaum in liegender Position vorstellen, geschweige denn unbekleidet. Alles deutete darauf hin, dass er in aufrecht sitzender Haltung zur Welt gekommen war, gekleidet in eine enganliegende Weste und wollene Kniehosen, unglücklich seufzend, in der Hand ein anspruchsvolles Buch. Falls auch ihn solches Verlangen erfasste, wo und wann gab er ihm nach?
Alma spürte eine kühle Hand auf ihrem Arm. Es war die ihrer Mutter.
»Wie lautet deine Meinung über Professor Pecks Abhandlung, Alma?«
Beatrix wusste, dass Alma nicht zugehört hatte. Woher wusste sie das? Und was wusste sie noch? Alma versuchte, sich rasch an den Beginn des Essens zurückzuerinnern und das wenige, was sie aufgenommen hatte, abzurufen.
Im Gegensatz zu sonst fiel ihr jedoch nichts ein. Sie räusperte sich und sagte: »Ich würde es vorziehen, das Buch von Professor Peck in seiner Gänze zu lesen, ehe ich ein Urteil fälle.«
Beatrix sah ihre Tochter durchdringend an: überrascht, kritisch und alles andere als beeindruckt.
Professor Peck hingegen betrachtete Almas Kommentar als Aufforderung weiterzureden oder besser gesagt als Aufforderung, zum Wohle der am Tisch versammelten Damen einen Großteil des ersten Kapitels seines Buches auswendig aufzusagen. Unter normalen Umständen hätte Henry Whittaker eine so beispiellose Invasion der Langeweile in seinem Hause nicht geduldet, doch Alma sah ihrem Vater an, dass er erschöpft war und höchstwahrscheinlich in Kürze einen seiner Anfälle erleiden würde. Drohende Krankheiten waren das Einzige, was ihren Vater zum Schweigen brachte. Wie Alma ihn kannte, und sie kannte ihn gut, würde er den nächsten Tag im Bett verbringen, wahrscheinlich sogar die ganze Woche. Für den Augenblick jedoch ertrug Henry den monotonen Vortrag seines Gastes, indem er sich Glas um Glas mit Rotwein füllte und über lange Strecken die Augen geschlossen hielt.
Unterdessen hatte Alma begonnen, George Hawkes zu inspizieren, den Verleger. Tat er es? Rieb er sich bis zum Gipfel der Wollust? Anonymus zufolge praktizierten Männer die Onanie noch häufiger als Frauen. Ein junger Mann, der sich bester Gesundheit und Vitalität erfreute, konnte sich Berichten zufolge mehrmals täglich einen Samenerguss entlocken. George Hawkes strotzte zwar nicht gerade vor Vitalität, doch er war ein junger Mann mit einem kräftigen, schweren und – nebenbei bemerkt – zum Schwitzen neigenden Körper, einem Körper, der dieses gewisse Etwas hatte, und zwar viel davon. Hatte George es vor kurzem getan, vielleicht sogar an diesem Tag? Und was tat George Hawkes’ Glied wohl in diesem Moment? Lag es träge dahingestreckt? Oder reckte es sich begehrlich?
Mit einem Mal ereignete sich etwas Erstaunliches, ja geradezu Unvorstellbares.
Prudence Whittaker ergriff das Wort.
»Verzeihung, Sir«, wandte sie sich mit sanftem Blick an Professor Peck. »Wenn ich recht verstehe, scheinen Sie in den unterschiedlichen Strukturen des menschlichen Haars den Beweis dafür erkannt zu haben, dass Neger, Indianer und Orientalen einer anderen Gattung angehören als der weiße Mann. Ich kann mich jedoch einer gewissen Verwunderung über Ihre Vermutung nicht erwehren. Hier auf diesem Anwesen, Sir, züchten wir verschiedene Arten von Schafen. Vielleicht sind sie Ihnen aufgefallen, als
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