Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wesen. Psychothriller

Das Wesen. Psychothriller

Titel: Das Wesen. Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arno Strobel
Vom Netzwerk:
ließ Lichner dabei nicht aus den Augen. Luisa wirkte sehr verstört. Menkhoff sagte leise etwas zu ihr und zeigte dabei auf das Auto, das zwischen der Hütte und mir stand. Luisa schüttelte den Kopf und umklammerte seine Beine, doch Menkhoff löste ihre Arme von sich und hielt sie fest. Er sah sie einen Moment stumm an, dann nickte er schließlich und drückte sie hinter sich, so dass er zwischen ihr und Lichner stand.
    »Keine Angst, Herr Hauptkommissar, ich tue Ihrer Tochter nichts. Warum auch?« Wieder stieß er ein Lachen aus, es klang fast hysterisch. »Es ist doch alles getan.«
    »Was soll das heißen, Lichner?«, fragte Menkhoff. »Sind Sie jetzt völlig verrückt geworden? Was ist getan?«
    »Na, alles.« Er grinste breit, und selbst von meinem Platz aus erkannte ich dieses Grinsen wieder. Ich hatte es mir schon viele Jahre zuvor einige Male von Herrn Lichner ansehen dürfen. »Warten Sie«, fuhr er belustigt fort. »Ich erklär’s Ihnen.« Er atmete tief durch und sah sich zufrieden um. Verrückterweise erinnerte er mich in diesem Moment an meinen Vater. Immer, wenn wir an einem Ausflugsziel angekommen waren, das er für die Familie ausgesucht hatte, war er ausgestiegen, hatte sich umgesehen und dabei genau den gleichen Gesichtsausdruck gezeigt.
Habe ich das nicht toll geplant?
, sollte das heißen.
    »Sie haben funktioniert, Herr Hauptkommissar«, begann Lichner seine Erklärung. Er grinste dabei noch immer. »Es ist alles ganz genau so geschehen, wie ich es geplant habe. Aber das ist auch nicht weiter verwunderlich, wenn man so viele Jahre investiert hat. Es gab einige Situationen in den letzten Tagen, da habe ich Sie doch tatsächlich noch immer überschätzt, obwohl mein Vertrauen in Ihre kriminalistischen Fähigkeiten nicht eben groß ist. Dass Sie zum Beispiel Nicoles Patientendoku auf meinem Dachboden nicht gefunden haben … unbegreiflich. Vielleicht hätte ich eine gelbe Linie auf den Boden malen sollen.«
    Er machte eine Pause, ließ seine Worte wirken. Menkhoff sah ihn verständnislos an. »Wovon reden Sie da, verdammt? Ich verstehe kein einziges Wort, und ich habe auch keine große Lust, mir solchen Quatsch anzuhören. Ja, Sie haben mir den entscheidenden Tipp gegeben, und dafür bin ich Ihnen dankbar, aber jetzt hab ich einiges zu tun. Da drin liegt Nicole, meine Tochter ist total verängstigt und muss schnellstens hier weg. Sie haben also hoffentlich Verständnis dafür, wenn ich jetzt meine Kollegen in Deutschland und die belgische Polizei anrufe.«
    Lichner hob die Hand. »Nein, bitte, Sie sollten sich unbedingt anhören, was ich zu sagen habe. Glauben Sie mir, es ist wichtig für Sie.«
    Menkhoff verdrehte den Oberkörper und warf einen Blick auf seine Tochter, die sich noch immer von hinten gegen seine Beine presste. »Also los, reden Sie. Aber beeilen Sie sich.«
    »Erst einmal: Sie hatten damals, ausnahmsweise, recht, Herr Hauptkommissar: Ich musste die kleine Juliane leider zum Schweigen bringen.«
    Stille. Ich vergaß zu atmen, tat sekundenlang einfach nichts, bis der Reflex einsetzte und den Sauerstoff nachdrücklich einforderte. So einfach war das also. Ein wie nebenbei dahingeworfener Satz, und alle Fragen der ganzen Jahre waren beantwortet, alle Zweifel einfach nicht mehr vorhanden. Ich horchte in mich hinein, suchte nach dem Gefühl der Erleichterung und fand etwas ganz anderes: Scham. Ich schämte mich für das, was ich diesem Mann zugetraut hatte, der nun schützend zwischen seinem Kind und einem Kindermörder stand.
    »Sie wollte unbedingt ihren Eltern von mir erzählen«, fuhr Lichner fort. »Obwohl ich ihr gesagt hatte, was dann alles mit ihren Eltern geschieht, und mit ihr, und dass Sie allein daran schuld ist. Starrsinniges Kind. Ich hab ihr doch gar nichts Schlimmes getan. Ich hab noch nie einer Kleinen was Schlimmes getan. Nur ein bisschen gespielt hab ich mit ihr. Sie sind so zart in diesem Alter, so …« Er machte dabei ein beleidigtes Gesicht, als wäre ihm großes Unrecht geschehen. »Jedenfalls – meinen Glückwunsch, Sie haben trotz Ihrer offensichtlichen Unfähigkeit damals richtiggelegen. Aber ganz ehrlich …«, sein Gesichtsausdruck veränderte sich, drückte jetzt Kumpanei aus, »ohne dieses Haargummi, das die gute Nicole so wirksam platziert hatte, hätten Sie keine Chance gehabt. Dazu habe ich viel zu gut aufgepasst. Wo hatten Sie das eigentlich her? Das habe ich mich all die Jahre gefragt.«
    Menkhoff sah ihn nur stumm und mit versteinerter Miene

Weitere Kostenlose Bücher